Montag, 29. Februar 2016

Was tun bei verkürzten Beinbeugern

Der Functional Movement Screen (FMS) ist eines der Standardmessinstrumente, mit denen ich unsere Athleten vor dem Beginn eines Trainingsprogramms screene.
Eines der häufigeren Probleme, die der FMS aufdeckt, ist eine eingeschränkte Mobilität in der Hüftbeugung mit gestrecktem Bein (Active Straight Leg Raise). Dabei liegt der Athlet mit ausgetreckten Beinen auf dem Rücken und hebt ein Bein soweit wie möglich an, ohne dabei das Bein anzuwinkeln, oder die Hüfte bzw. das andere Bein vom Boden abzuheben. Je nachdem, wie weit der Athlet das Bein hierbei anheben kann, lässt sich eine Einschränkung der Mobilität erkennen.
Alternativ lässt sich dies auch einfach über den Toetouch messen. Das ist der Versuch, mit den Fingern, bei gestreckten Beinen seine Zehenspitzen zu berühren.
Liegt bei einem Athleten eine Einschränkung vor, kann dies verschiedene Ursachen haben, führt meist aber zu den gleichen Problemen beim Training. Unter anderem kann der Athlet Probleme haben mit geradem Rücken in die tiefe Kniebeuge zu gehen. Stattdessen rollt sich die Hüfte ab einem gewissen Punkt ein und führt zu einem runden unteren Rücken (Buttwink). Oder der Athlet kommt beim Kreuzheben nicht weit genug herunter, um die Stange mit geradem unteren Rücken zu greifen.

Die Ursachen hierfür können z. B. sein:
-       Eine verkürzte Beinbeugemuskulatur
-       Eine inaktive Gluteusmuskulatur
-       Nicht ausreichende Aktivierung der Rumpfmuskulatur
-       Der Athlet beherrscht das Bewegungsmuster des „Hiphinges“ nicht

Natürlich kann die Ursache auch bei mehreren der genannten Gründe liegen. Das Korrigieren einer der Ursachen verbessert meist aber auch gleichzeitig die anderen, da alle diese Faktoren in der gleichen Bewegungskette ineinander spielen.


Verkürzte Beinbeugemuskulatur:

Die Beinbeugemuskulatur (ischiocrurale Muskulatur) gehört zu den tonischen Muskeln. Das bedeutet, dass sie bei Inaktivität zur Verkürzung neigt. Das schränkt die Bewegungsamplitude des Athleten entsprechend ein.
Ein Training über die volle Bewegungsamplitude hilft nach meiner Erfahrung am besten, um die Muskulatur wieder auf die notwendige Länge zu bekommen. Übungen wie Romanian Deadlifts, Glute/Ham-Raises oder Hipthrusts am Kabelzug etc. funktionieren hierfür ausgezeichnet. Auch regelmäßiges Dehnen kann für eine Verbesserung sorgen.
Nach meiner Erfahrung besteht die Verkürzung der Beinbeuger oft nur auf neuronaler Ebene. Das bedeutet, dass der Körper aufgrund der Inaktivität verlernt hat, die Muskelgruppe entsprechend über die volle Länge anzusteuern. Dies lässt sich ebenfalls mit den genannten Übungen innerhalb von kurzer Zeit verbessern.
Obwohl diese Ursache in der Regel die naheliegende ist und die meisten Menschen ihr Problem an dieser Stelle suchen, so sind die anderen drei genannten Punkte für mich die häufiger auftretenden. Daher führt bei den meisten Menschen auch regelmäßiges Dehnen der Beinbeuger zu keiner wirklichen Besserung der Probleme.


Inaktive Gluteusmuskulatur:

Die Gluteusmuskulatur (Pomuskulatur) ist dafür zuständig, die Hüfte zu strecken und das Becken aufzurichten. Durch ständiges Sitzen sind diese Muskeln bei vielen Menschen abgeschwächt. Gleichzeitig bewirkt langes Sitzen eine Verkürzung des Hüftbeugers. Dadurch wird das Becken nach vorne gekippt, was ein übertriebenes Hohlkreuz (Hyperlordose) bewirkt. Da die Beinbeugemuskulatur ihren Ursprung am Becken hat, wird diese durch das nach vorne gekippte Becken gedehnt und bewirkt dann die gleichen Symptome wie verkürzte Beinbeuger.
Durch das Aktivieren und Stärken der Gluteusmuskulatur kann das Becken wieder in eine neutrale Position gebracht werden und gibt den Beinbeugern ihre ursprüngliche Bewegungsamplitude zurück.
Als Beispiel hier zwei Übungen, die ich zum Aktivieren der Gluteusmuskulatur verwende:

Hüftheben:

Beinheben in Bauchlage:

Bei beiden Übungen bekommt der Athlet in der Regel ein recht gutes Feedback, da er selbst spürt, ob die Gluteusmuskulatur arbeitet, oder stattdessen eine andere Stelle des Körpers die Arbeit übernimmt. Ein Krampf in den Beinbeugern oder ein Brennen im unteren Rücken weisen dabei direkt auf eine zu geringe Mitarbeit der Gluteusmuskulatur hin. Die beiden Übungen funktionieren daher sowohl als Test als auch zur tatsächlichen Aktivierung.


Aktivierung der Rumpfmuskulatur:

Dass fast alle Bewegungen im Körper auf verschiedenste Weise zusammenhängen, zeigt auch die Rolle der Rumpfmuskulatur bezogen auf die Beweglichkeit der Beinbeugemuskulatur. Häufig lässt sich nämlich der Active Straight Leg Raise bereits durch einfache Übungen zum Aktivieren der Rumpfmuskulatur deutlich verbessern. Wer Probleme hat, beim Toetouch den Boden zu berühren, kann gerne einmal versuchen, während der Übung ein Handtuch zwischen den Knien fest einzuklemmen. Die hieraus entstehende Körperspannung hilft vielen Athleten bereits, weiter herunter zu kommen und gibt einen Hinweis darauf, an welcher Stelle das Problem liegen könnte.
Eine einfache Übung, die ich im Rahmen des Warmups mit allen Athleten, die Probleme in diesem Bereich haben, durchführe, ist der Kettlebell Legraise.


Die Übung kombiniert die Aktivierung der Rumpfmuskulatur mit der gleichzeitigen Mobilisation der Beinbeugemuskulatur.

Für ausführliche Informationen zum Thema Rumpftraining empfehle ich meine dreiteilige Artikelserie über einen stabilen Rumpf: Teil 1, Teil 2, Teil 3.


Hiphinge:

Um beispielsweise beim Toetouch mit den Fingerspitzen zum Boden zu kommen, ist nicht nur eine ausreichende Beweglichkeit notwendig, sondern auch die richtige Ausführung des so genannten „Hiphinge“ ist wichtig. Darunter versteht man die Vor- und Zurückbewegung des Beckens aus dem Hüftgelenk heraus, wie dies z. B. beim Kreuzheben nötig ist. Einfach gesagt: beim Toetouch verlagert sich durch das Vorbeugen des Oberkörpers der Körperschwerpunkt nach vorne. Um dabei nicht umzukippen, muss das Becken nach hinten geschoben werden, um das Gleichgewicht halten zu können. Wer diese grundlegende Bewegung nicht beherrscht, kommt in der Regel auch nicht bis zum Boden, da er ansonsten umkippen würde.

Immer wieder haben allerdings selbst Leistungssportler, die zu mir kommen, Probleme mit diesem Bewegungsmuster.
Als einfache Übung, um den Hiphinge beizubringen, verwende ich z. B. den „Po zur Wand Drill“:


Als aufbauende Übung hierzu eignet sich unter anderem auch das Kreuzheben mit gestreckten Beinen. Dabei hält der Athlet eine Langhantelstange vor dem Körper und lässt diese mit geradem Rücken und gestreckten Beinen an seinen Oberschenkeln hinuntergleiten. Damit die Stange nicht den Kontakt zu den Beinen verliert, ist ein korrekter Hiphinge notwendig. Ein wenig Gewicht auf der Stange hilft dem Athleten in der Regel, ein besseres Feedback während der Übung zu bekommen.


Ich hoffe, dass diese Infos euch helfen, eventuelle Probleme mit vermeintlich verkürzten Beinbeugern in den Griff zu bekommen. Ich würde mich freuen, wenn ihr den Artikel teilt oder mir einen kurzen Kommentar hinterlasst.


Weitere Informationen zum Training der Beinbeuger findet ihr auch in meinem Artikel: „Rehabilitieren von Beinbeugerverletzungen

1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für den informativen Beitrag.
    Genau das was ich gesucht habe.

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