Donnerstag, 27. Juni 2024

Vorbild Leistungssport - Sollten wir so trainieren wie die Topsportler

Wer von uns hatte nicht in jungen Jahren ein sportliches Idol dem wir nachgeeifert haben oder dass wir sogar versucht haben zu kopieren. Soweit ganz normal würde ich sagen. Vielleicht habt ihr später dann auch versucht, die besten in eurer Disziplin genauer zu analysieren, um auf das Geheimnis ihres Erfolgs zu kommen und zu schauen, was man davon vielleicht übernehmen kann, um besser zu werden? Auch ganz normal würde ich sagen. Vor allem als Trainer gehört das ja auch zum Job, die Techniken anderer zu analysieren, weil man will ja sehen, was die Besten in einem Sport machen. Und dabei sucht man in der Regel Gemeinsamkeiten. Also, was sind die Konstanten, die die Athleten in der Leistungsspitze gleich machen. Die sind dann vermutlich ja allgemeingültig wichtig.

Immer wieder gibt es aber Topsportler, die etwas anders machen als der Rest. Bei denen schaut alles irgendwie unkonventionell aus. Komischerweise sind genau das die Sportler, die dann eine große Anziehungskraft haben. Aus Fansicht macht das ja auch auch Sinn. Weil den “Outsider” zu unterstützen ist ja immer reizvoll.



Aber gerade Sportler, die etwas ganz anders machen, als der Rest, und es trotzdem bis in die Leistungsspitze geschafft haben, werden auch oft als Vorbilder herangezogen. Vielleicht kommt euch da jetzt direkt der ein oder andere Sportler in den Kopf. 

Vielleicht haben sie ja das Geheimnis zum Erfolg entdeckt, das die anderen nicht kennen. Weil irgendwie suchen wir doch alle immer nach dem besten Weg. Und wenn es da vielleicht eine Möglichkeit gibt, von der man selbst profitieren kann, dann ist es natürlich reizvoll. Vielleicht kann man sich damit ja einen Vorteil verschaffen, gegen alle anderen, die es nicht so machen. Irgendwie sind wir einfach anfällig dafür, wenn uns jemand eine Abkürzung verspricht.


Dabei ist es eigentlich immer so, dass die Ausnahmen von der Regel etwas anders machen, weil sie bestimmte körperliche Voraussetzungen haben, die sie dadurch kompensieren oder sie haben einfach das Glück, dass ihr Körper eine möglicherweise ineffiziente Technik langfristig ausgehalten hat, wo jeder andere Athlet bereits verletzt wäre. Die Vorstellung, dass man selbst auch eine solche Ausnahme ist, bei der das Ungewöhnliche besser funktioniert, ist daher sehr unwahrscheinlich und sorgt in den meisten Fällen eher für Misserfolg und leider nicht selten auch zu Verletzungen. Der “Ausnahmeathlet” hat vielleicht für sich die bestmögliche Technik herausgefunden oder einfach Glück gehabt. Vielleicht wäre er mit der “Lehrbuchtechnik” sogar besser gefahren. 


Da stellt sich dann die Frage. Ist er so erfolgreich wegen dem, was er gemacht hat oder ist er erfolgreich, obwohl er gemacht hat, was er gemacht hat. Könnte er noch viel besser sein, wenn er anders trainieren würden?

Es gibt auf jeden Fall Toptalente, die sind an der Spitze, obwohl sie nicht optimal trainieren.

Es gibt immer wieder Athleten, die haben so eine brutale Genetik, dass wahrscheinlich so ziemlich alles funktioniert hätte, um sie ganz nach oben zu bringen. Das soll jetzt keinerlei Wertung sein, sondern soll nur der Hinweis für uns sein, wo wir uns etwas abschauen können und wo nicht. 

Es gibt einfach einen Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität.

Die meisten Basketballspieler sind überdurchschnittlich groß. Aber ist ein Basketballspieler so groß weil er Basketball spielt, das wäre Kausalität.

Oder spielt er Basketball eben weil er so groß ist. In dem Fall wäre seine Größe dann nur Korrelation.

Zu glauben, dass wir jetzt alle Basketball spielen müssen, damit wir möglichst groß werden, ist natürlich quatsch und für jeden wahrscheinlich logisch. Das soll auch nur ein Beispiel sein, um das ganze zu veranschaulichen. In vielen anderen Bereichen passiert es nämlich durchaus, dass wir Korrelation und Kausalität verwechseln. Wenn wir etwas, das zufällig da ist, fälschlicherweise für einen leistungsentscheidenden Faktor halten und versuchen, ihn selbst so zu übernehmen oder anderen so beizubringen, dann bringt uns das nicht weiter. 


Für uns heißt das, dass wir viel höhere Erfolgschancen haben, wenn wir uns an dem orientieren, was die Mehrzahl der Sportler in einer Sportart erfolgreich macht. Und wenn wir uns die Ausnahmen genau anschauen, finden wir mit Sicherheit auch Gemeinsamkeiten zu den anderen Athleten, die vielleicht nur durch ungewöhnliche Abwandlungen in der Bewegung maskiert werden. Deswegen sind Gemeinsamkeiten für uns viel interessanter, als einzelne Abweichungen.


Das heißt natürlich nicht, dass man nicht auch outside the box denken darf und sich von anderen Sportarten nichts abschauen darf oder neue Entwicklungen einfach ignorieren sollte.

Ganz im Gegenteil. Während ich sagen würde, dass die Technik und Bewegungsausführung in den meisten Sportarten sehr weit perfektioniert ist, ist es erschreckend, mit welchen Trainingsmethoden im Leistungssport teilweise immer noch gearbeitet wird. Natürlich gilt das nicht für alle Sportarten. Vor allem in den großen Sportarten, in denen viel Geld steckt, gibt es inzwischen für fast jeden Bereich die entsprechenden Spezialisten, die sich in ihrem Bereich wirklich auskennen.


Es gibt aber leider immer noch genug Sportarten wo: “Das wurde schon immer so gemacht”, für viele Trainer als Begründung für das, was sie mit ihren Sportlern machen ausreicht. Weil wer selbst einmal erfolgreicher Sportler war, der macht oft halt auch einfach das als Trainer weiter, was er früher schon selbst gemacht hat.

Und oft wollen die Sportler selbst auch gar keine große Entwicklung in den Trainingsmethoden.


Dass es nicht selten passiert, dass sich die neuesten Erkenntnisse von unten nach oben etablieren, ist kein Zufall. Sich auf eine neue Methode einzulassen, birgt ja immer auch ein Risiko. Und wenn man schon ganz weit oben ist mit dem, was man bisher gemacht hat, ist der Anreiz etwas zu ändern verständlicherweise ja auch nicht sehr hoch. Schließlich ist man mit dem, was man bisher gemacht hat, ja schon bis hierher gekommen. Warum sollte man also nicht damit weitermachen. Also lieber das beibehalten, von dem man weiß was man hat, als etwas Neues ausprobieren, was vielleicht nur ein bisschen besser ist, aber eben auch im schlechtesten Fall in die Hose gehen kann.


Der Leistungssport Nachwuchs ist deswegen in vielen Fällen auf einem moderneren Stand, was die Trainingsmethoden angeht. Hier ist es einfach deutlich leichter etwas Neues auszuprobieren und auch bei den Athleten zu implementieren. Sie sind meistens noch offener für Neues, weil sie eben auch noch nach dem erfolgreichsten Weg nach oben suchen. Bis diese Athleten die neue Methode dann nach oben mitbringen, dauert es dann immer etwas. Deswegen macht es Sinn, sich das Training in diesem Bereich genauer anzuschauen, wenn man sich etwas abschauen möchte und nicht nur bei den Profis ganz oben.

Denn nur weil einzelne Topsportler etwas im Training machen, heißt das nicht, dass ihre Trainingsmethoden auf dem gleichen hohen Level sein müssen wie sie selbst. Mal ganz abgesehen davon, dass sie auch ganz andere Möglichkeiten und Voraussetzungen haben, wenn sie Profi sind. Und vieles von dem, was sie im Training und darum herum machen, werden wir eh nicht sehen.

Ich habs schon öfter gesagt, aber das Training von Leistungssportlern ist nicht fancy. Ganz im Gegenteil ist es im Normalfall sehr eintönig und repetitiv. Deswegen ist es für die meisten auch nicht so interessant. Man schaut lieber auf das, was cool aussieht, als auf das, was den Großteil des Trainings ausmacht.

Mein Fazit: 

Der Leistungssport kann durchaus als Vorbild für uns dienen. Man muss aber schon ein bisschen wissen, worauf man schaut und sich nicht von den Ausnahmen und von dem, was cool aussieht, einwickeln lassen. Wenn wir etwas übernehmen, dann sollten wir uns immer fragen, ob das Ganze für uns wirklich relevant ist und uns dem Unterschied zwischen Kausalität und Korrelation bewusst sein. Und letztendlich müssen wir selbst immer wissen, in welcher Position wir gerade sind und welche Möglichkeiten wir haben. Dann können wir entscheiden, was für uns gerade wichtig ist und was uns am besten vorwärts bringt. Denn je weiter wir von dem Stand unseres Vorbilds entfernt sind, desto eher müssen wir vermutlich auch andere Schwerpunkte in unserem eigenen Training legen und desto schlechter dient das Training unseres Idols uns als Vorbild.


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