Wenn es euch beim Training in irgendeiner Weise darum geht schneller oder explosiver zu werden oder wenn ihr öfter Probleme mit Muskel- oder Sehnenverletzungen habt, dann ist dieser Artikel mit Sicherheit interessant für euch. Ich erkläre euch ganz grundsätzlich die Funktion von unseren Sehnen und das Zusammenspiel von den Sehnen mit den Muskeln, um die maximale Leistungsfähigkeit durch unser Training zu erreichen aber auch in Bezug auf Verletzungsvorsorge und -reha.
Dann fangen wir mal an.
Ein elastisches Teil mit einem festen Teil zu verbinden ist selbst für gute Ingenieure nicht so einfach. In der Regel reißt das elastische Teil bei Belastung relativ schnell vom festen Teil ab. Unser Körper hat dafür eine geniale Lösung gefunden. Wenn unsere Muskeln direkt mit den Knochen verbunden wären, dann würden die Muskeln bei Belastung einfach abreißen. Deswegen haben wir als Verbindung zwischen Muskel und Knochen die Sehnen. Sie dienen im Prinzip wie ein Puffer zwischen der elastischen Struktur des Muskels und der festen Struktur des Knochens. So einfach die Funktion erstmal klingt, so komplex sind der Aufbau und die Funktionen unserer Sehnen aber tatsächlich.
Wenn wir uns Anatomiezeichnungen anschauen, dann sieht man da sehr deutlich abgegrenzt den Muskel, den Knochen und dazwischen die Sehne als Verbindung. In der Realität sieht man allerdings keine so harte Abgrenzung zwischen Muskel und Sehne. Der Übergang zwischen Muskel und Sehne ist eher fließend. Die Sehne hat nicht überall die gleiche Struktur. Direkt am Übergang zum Muskel ist die Sehne noch relativ elastisch und nicht so wirklich vom Muskel zu unterscheiden. Zum Knochen hin wird sie dann immer steifer und fester. Je mehr die Kollagenfasern in der Sehne miteinander verwoben sind, das nennt man auch Crosslinks, desto fester und steifer ist die Sehne, auch schon an ihrer muskelnahen Seite. Aber dazu kommen wir später noch genauer.
Schauen wir uns erstmal an wie Bewegung entsteht. Wenn wir z. B. den Arm beugen wollen, dann spannen wir unsere Armbeugemuskulatur an. Die zieht dadurch über die Sehne an den Knochen und bringt so Oberarm und Unterarm zusammen. Das ist denke ich soweit klar. Dazu schauen wir uns mal ein kurzes vereinfachtes Beispiel an. Wenn wir ein Gummiband an einem beweglichen Widerstand anbringen und daran ziehen, dann passiert erstmal nicht viel. Wir müssen so lange ziehen, bis das Gummiband weit genug gedehnt ist, bevor sich der Widerstand anfängt zu bewegen. Wenn wir das Gummiband jetzt aber gegen ein Seil ersetzen, dann hat das Seil nur eine minimale Dehnung, bevor sich der Widerstand bewegt.
Und so können wir uns das bei unseren Sehnen auch vorstellen. Bei einer sehr elastischen Sehne dauert es erstmal, bis die Muskelkontraktion zur Bewegung wird. Je steifer die Sehne ist, desto direkter wird die Muskelkontraktion in Bewegung umgesetzt. Also nicht ganz unwichtig, für alle Sportarten, bei denen wir auf einen Gegner, einen Ball oder sonstige äußere Faktoren reagieren müssen. Denn da wollen wir ja schließlich so schnell es geht reagieren können.
Wir können also festhalten. Je steifer die Sehne ist, desto direkter kann unsere Muskelkraft in Bewegung übertragen werden.
Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Schauen wir uns mal reaktive Bewegungen wie Springen oder Sprinten an. Hier agiert die Sehne nicht nur als Verbindung zwischen Muskel und Knochen, die die Bewegung des Muskels überträgt, sondern spielt auch eine entscheidende Rolle zur direkten Bewegungserzeugung. Wenn ein Hochspringer Anlauf nimmt, dann macht er das, weil er die horizontale Geschwindigkeit in vertikale Höhe umwandelt. Das passiert aber nicht in erster Linie dadurch, dass die Muskulatur beim Absprung anspannt und dadurch Bewegung erzeugt wie im vorherigen Beispiel, sondern dadurch, dass der Körper durch die Kontraktion möglichst viel Steifigkeit aufbaut, um die Energie umzuleiten. Wenn ich einen Stab auf den Boden werfe, dann springt er durch seine Steifigkeit direkt wieder vom Boden ab. Der Stab produziert dabei allerdings selbst keinerlei eigene Kraft. Er nutzt nur die Aufprallenergie die er aufgenommen hat und gibt sie direkt wieder ab. Das gleiche Prinzip macht sich der Hochspringer auch zu Nutze. Wenn er versuchen würde durch die Dehnung und Verkürzung der Muskulatur abzuspringen, würde er nicht sehr hoch kommen. Indem er aber die reaktive Energie nutzt, kann er die Energie aus dem Anlauf nutzen. Durch möglichst hohe Steifigkeit der im Absprung beteiligten Gelenke, wird die Energie wie beim Stab in Absprunghöhe umgeleitet. Ich hoffe das war jetzt einigermaßen verständlich.
Ähnlich sieht es beim Sprinten aus. Auch hier sind die Sehnen direkt an der Fortbewegung beteiligt, vor allem, wenn wir erstmal auf Geschwindigkeit gekommen sind. Ähnlich wie beim Hochspringer braucht der Sprinter ein möglichst steifes Fußgelenk, um die Energie beim Bodenkontakt bestmöglich nutzen zu können. Beim Bodenkontakt wird die Sehne gespannt und gibt die dadurch gespeicherte Energie direkt wieder ab, um vom Boden wegzukommen.
Eine sehr elastische Sehne puffert mehr Energie weg als eine steife Sehne. Genau das wollen wir aber nicht haben. Wir wollen die Energie ja nicht wegpuffern, sondern bestenfalls direkt wieder in die Laufbewegung umsetzen. Daher ist es für die sportliche Leistung gut, wenn die Sehne möglichst steif ist.
Das funktioniert aber natürlich nur so richtig gut, wenn der zugehörige Muskel auch stark genug und im richtigen Moment auch stabil ist, um die Energie nicht seinerseits wegzupuffern.
Denn ein Muskel der zu wenig Spannung hat wird wenn der Fuß auf dem Boden aufschlägt gedehnt. Der Muskel wird auseinandergezogen und die Energie geht verloren.
Dass der Muskel im richtigen Moment mit möglichst viel Kraft feuert ist also entscheidend für maximalen Leistungsoutput. Dabei geht es wie gesagt nicht so sehr darum, dass der Muskel durch Kontraktionen direkt Bewegung erzeugt. Bei explosiven Bewegungen müssen Muskeln Steifigkeit erzeugen können, um die Sehnen auf Vorspannung zu bringen und auch den Muskel selbst in optimale Position zu bringen, damit er möglichst viel Kraft hat. Denn die Muskeln stehen ja nicht die ganze Zeit in ihrer stärksten Position. Nur so lässt sich die Energie aber bestmöglich und ohne große Verluste transferieren.
Ein effizienter Athlet schafft es Steifigkeit zum richtigen Zeitpunkt zu erzeugen, um Bewegung zu kontrollieren und Energie zu übertragen, aber möglichst auch nur im benötigten Moment, um andererseits notwendige Bewegung an anderer Stelle nicht zu behindern. Dazu ist eine gute Koordination innerhalb des Muskels genauso wie unter den an der Bewegung beteiligten Muskeln wichtig.
Wenn eine Sehne steifer ist als der zugehörige Muskel entsprechend stark ist, erhöht sich das Verletzungsrisiko für den Muskel.
Weil eine steife Sehne weniger Energie puffert, überträgt sich mehr davon auf den Muskel wodurch die Belastung für die Muskulatur natürlich entsprechend steigt. Wenn die Belastung für den Muskel zu groß wird, weil die Sehne nicht mehr so viel puffert, kann das zu Zerrungen oder sogar Rissen der Muskulatur führen. Deswegen können wir die Sehnen also nicht einfach so steif wie nur irgendmöglich machen, weil sie dann immer mehr von ihrer Funktion verliert, etwas elastisches mit etwas festem zu verbinden.
Das Ziel im Sport ist es deswegen, die Sehnensteifigkeit für den Wettkampf so hoch zu bringen wie möglich, ohne dass sich der Athlet dabei verletzt. Der Leistungssportler bewegt sich deswegen immer im Grenzbereich. Deswegen sind Muskelzerrungen kurz vor und während Wettkämpfen auch häufiger als im normalen Training. Schließlich trainieren die meisten Athleten vor dem Wettkampf verstärkt explosiv und leicht und haben dadurch deutlich weniger Fokus im Training auf ihre Kraft. Das sorgt für eine erhöhte Sehnensteifigkeit, was ja auch das Ziel ist, führt aber auch dazu, dass im schlechtesten Fall die Muskelkraft dafür nachlässt. Und wie gesagt. Wenn die Sehne steifer ist als der Muskel stark ist, erhöht sich die Verletzungsgefahr für den Muskel.
Schauen wir uns dieses Prinzip mal ein bisschen genauer an:
Explosive Reize, wie bei der Landung von Sprüngen, erhöhen die Sehnensteifigkeit.
Langsame Bewegungen mit schwerem Gewicht wie beim schweren Krafttraining und vor allem auch isometrische Belastungen dagegen brechen die Crosslinks in der Sehne auf und machen sie elastischer. Wenn wir dieses Prinzip verstanden haben, können wir durch die Art und Weise, wie wir trainieren, die Sehne so modellieren, wie wir das brauchen. Ein Athlet, der explosiver werden will, trainiert für höhere Sehnensteifigkeit. Ein Athlet, der ständig mit Muskelzerrungen zu kämpfen hat, sollte lieber etwas Sehnensteifigkeit aufgeben, um dafür langfristig verletzungsfreier trainieren zu können.
Ein Athlet muss ja auch nicht das ganze Jahr über mit maximaler Sehnensteifigkeit rumlaufen. Vielmehr geht es darum, sie zur richtigen Zeit hoch zu haben um bestmöglich im Wettkampf zu sein, aber sie für trainingsintensive Phasen lieber etwas geringer zu haben, um verletzungsfrei trainieren zu können. Zu wenig Sehnensteifigkeit wollen wir aber natürlich auch nicht, weil sich dann das Verletzungsrisiko weg vom Muskel mehr in Richtung der Sehne verschiebt.
Dieses Wissen hilft uns hoffentlich auch, wenn wir die Heilung von Sehnenverletzungen unterstützen wollen oder bei der Behandlung von Schmerzen durch überlastete Sehnen.
So wie auch die Muskeln, reagieren die Sehnen auf die im Training gesetzten Reize. Im Unterschied zu den Muskeln reichen für die Sehnen aber schon weniger Belastungsreize, um eine Anpassung auszulösen. Bereits nach kurzer Zeit nimmt die Reaktion der Sehnen auf den Trainingsreiz ab. Längere Trainingseinheiten bedeuten für die Sehnen deswegen nicht automatisch mehr Reize. Es dauert nach dem Training einige Stunden, bis die Sehne wieder empfangsbereit für den nächsten Reiz ist. Wenn wir also als Trainingsziel die Reha bei Sehnenverletzungen haben, macht es Sinn eher kurze Einheiten zu machen und dafür aber ca. alle 6 Stunden wieder einen Reiz zu setzen, um den bestmöglichen Outcome zu haben.
Und da wir jetzt wissen, dass langsame Bewegungen unter schwerer Last gut sind um die Sehne elastischer zu machen, verwenden wir in dem Fall am besten die langsamst mögliche Bewegung, also das halten unter isometrischer Spannung. Wenn wir eine Position länger halten, dann lässt langsam auch die Spannung in der Sehne nach, wodurch die Muskulatur stärker anspannen muss. Das spüren wir dann auch deutlich in der Anstrengung. So verteilt sich die Belastung gleichmäßig über die Sehne, Crosslinks werden aufgebrochen und die Sehne kann nicht mehr um die überlasteten Strukturen herumarbeiten. Wir wollen ja schließlich genau hier einen Reiz setzen um dem Gewebe zu zeigen, was seine Aufgabe ist und dadurch die Heilung zu beschleunigen.
Andersrum gehen wir vor, wenn wir die Sehnensteifigkeit erhöhen wollen, also z. B. kurz vor dem Wettkampf. Da dominieren dann Sprünge und explosive Bewegungen mit geringer Last das Training.
Noch ein anderer Faktor der die Sehnensteifigkeit beeinflusst ist euch selbst vielleicht auch schonmal aufgefallen.
Wenn ein Körperteil für längere Zeit ruhiggestellt ist, z. B. wegen einer Verletzung, dann bilden sich neue Crosslinks und die Sehnensteifigkeit nimmt zu. Daher fühlen sich viele Athleten nach einer Verletzung erstmal explosiver. Das ist also nicht nur Einbildung, sondern tatsächlich physiologisch gegründet. Hier müssen wir aber besonders aufpassen. Durch die Ruhigstellung hat sich vermutlich der Muskel abgebaut, was dann wieder zu einem erhöhten Verletzungsrisiko führt. Daher sollten wir die Belastungen hier nicht zu schnell steigern.
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