Donnerstag, 13. Juni 2024

Krafttraining für Frauen - zyklusbasiertes Training

Frauen und Männer trainieren im Fitnessstudio häufig sehr unterschiedlich. Logisch, Frauen haben ja auch einen anderen Körperbau und andere hormonelle Voraussetzungen. Aber müssen Frauen deswegen tatsächlich so anders trainieren als Männer?

Es gibt so viele Trainingstipps für Frauen. Viele davon sind aber leider einfach schlecht.  

Krafttraining bei Frauen hat nach meinem Eindruck in den letzten Jahren eine sehr positive Entwicklung genommen. Die Angst davor, Muskeln aufzubauen, ist nicht mehr ganz so groß. Trotzdem kursieren immer noch viele Fehlinformationen zum Thema. Ich versuche in diesem Video mal mit ein paar von diesen Gerüchten aufzuräumen und wir schauen uns an, was Frauen beachten sollten, um im Training erfolgreich zu sein.



Fangen wir erstmal an. Krafttraining funktioniert bei Frauen grundsätzlich genauso gut wie bei Männern. Natürlich kann sich das Training aufgrund der Zielsetzung zwischen Frauen und Männern unterscheiden. Wenn eine Frau eher für einen krassen Po und ein Mann lieber für dicke Oberarme trainieren will, dann werden die Trainingspläne vermutlich auch etwas unterschiedlich aussehen.

Das Gerücht, dass Frauen schlechter Muskeln aufbauen können, stimmt aber nicht. Frauen können genauso gut Muskeln aufbauen wie Männer. Zumindest wenn man den prozentualen Zuwachs anschaut. Der Unterschied ist nur, dass Frauen in der Regel von Anfang an weniger Muskelmasse haben als Männer. Das heißt, Männer können dadurch zwar insgesamt mehr Muskelmasse erreichen, weil sie eben schon mit mehr starten. Aber prozentual ist die Steigerung sowohl bei der Muskelmasse als auch bei der Kraft bei Frauen genauso hoch.

Die Muskeln bei Frauen sind physiologisch genauso wie bei Männern. Die Männer haben halt einfach nur einen Startvorsprung, vor allem was die Muskulatur am Oberkörper angeht. Umso wichtiger finde ich deswegen, dass Frauen auch den Oberkörper ordentlich für Kraft trainieren, damit sie diesen Rückstand etwas ausgleichen können.

Also an alle Frauen, lasst euch nicht verarschen, wenn euch mal wieder jemand erzählen will, dass ihr keine Muskeln aufbauen könnt.


Das heißt aber jetzt im Umkehrschluss nicht, dass Frauen Angst haben müssen, dass sie durch Krafttraining nicht mehr weiblich aussehen. Ganz im Gegenteil. Muskulatur sorgt für einen straffen Körper, weil die Muskeln unter der Haut diese gut ausfüllen und eben straffen. Also genau das, was die meisten Frauen eigentlich wollen. Sehr viel Muskelmasse aufzubauen ist extrem harte Arbeit und passiert auch nicht über Nacht. In der Praxis hab ich es auch tatsächlich noch nie erlebt, dass sich eine Frau dadurch dass sie trainiert zu muskulös gefühlt hat. 


Viel entscheidender als das Geschlecht, wenn es um das Trainingspotential geht, sind die persönlichen genetischen Voraussetzungen jedes einzelnen Menschen. Das Potential für Kraft- und Muskelwachstum ist zwischen verschiedenen Frauen genauso unterschiedlich wie auch bei Männern. Das Geschlecht spielt dabei keine wirkliche Rolle. Manche Menschen bauen einfach besser Muskeln auf als andere.


Ein nicht zu unterschätzender Unterschied ist allerdings, dass Frauen, um im gesunden Bereich zu liegen, einen höheren Körperfettanteil als Männer brauchen und daher relativ zu ihrem Gewicht weniger fettfreie Masse, aka Muskeln, haben. Also weniger PS pro kg könnte man auch sagen, was einen Leistungsnachteil im Vergleich zu Männern bedeutet. Gerade bei Übungen mit dem eigenen Körpergewicht macht sich das am Anfang immer wieder bemerkbar. 



Noch ein Unterschied, der mir persönlich im Training schon öfter aufgefallen ist: Frauen trainieren in vielen Fällen vorsichtiger als Männer. Ich will jetzt nicht, dass sich jemand angegriffen fühlt, weil das gilt natürlich nicht für alle Frauen. Ich hab auch genug Frauen im Training, die richtig Gas geben. Aber bei Männern muss ich als Trainer öfter mal bremsen, weil sie sich vom Gewicht her überschätzen und ihnen ihr eigenes Ego immer wieder im Weg steht.

Frauen haben dafür häufig Angst, dass die Technik nicht 100% perfekt ist und bleiben dadurch mit dem Gewicht unter ihrem eigentlichen Potenzial zurück.

Auch dass Frauen häufig mit hohen Wiederholungsbereichen trainieren, um nicht zu bulky zu werden, macht für mich keinen Sinn. Denn Frauen reagieren viel besser auf Training mit höheren Intensitäten, also weniger Wiederholungen mit mehr Gewicht und können das in der Regel sogar schneller wieder regenerieren als Männer. Training mit schwerem Gewicht ist außerdem gut für die Knochendichte, was ja auch speziell für Frauen nicht ganz unwichtig ist, weil hier das Thema Osteoporose leider häufiger ein Problem ist als bei Männern.


Nach meiner Erfahrung haben Frauen auch bessere Erfolge mit einem etwas höheren Trainingsvolumen als Männer, da Frauen mehr Widerstandsfähigkeit gegen Ermüdung haben. Das könnte unter anderdem daran liegen, dass Frauen in der Regel einen höheren Anteil an Typ I Muskelfasern haben, die ja eher ausdauernder sind.

Also mal kurz zusammengefasst. Lieber mehr Sätze mit weniger Wiederholungen und dafür mehr Gewicht.


Dass Frauen im Training trotzdem schlechter vorankommen als viele Männer, liegt häufig aber an einer unzureichenden Energieversorgung. Wenn der Fokus zu sehr auf einem möglichst niedrigen Körpergewicht liegt, dann essen Frauen oft zu wenige Kalorien, um entsprechend Muskeln aufzubauen. Aber nur wenn dem Körper ausreichend Kalorien und Protein zur Verfügung stehen, kann er auch Muskeln aufbauen.

Also nicht nur auf die Waage verlassen, sondern auch mal in den Spiegel schauen. Wenn das Gewicht hoch geht, aber das Ergebnis im Spiegel gut aussieht, dann ist doch alles super.



Jetzt kommen wir aber zu einem wirklich entscheidenden Unterschied, der leider häufig aber einfach komplett ignoriert wird.


Der Zyklus der Frau spielt eine große Rolle, was die Leistungsfähigkeit angeht. Bei Freizeitsportlerinnen ist das vielleicht nicht unbedingt ausschlaggebend. Wenn das Training aber dann doch leistungsorientiert sein soll, ist es wichtig, als Trainer mit seinen Athletinnen offen zu kommunizieren, um das Training bestmöglich zu planen und auf den Zyklus abzustimmen.

In der Regel sind Frauen in der ersten Hälfte des Zyklus, die mit der Menstruation beginnt, stärker. Klar, während der Menstruation können Unterleibsschmerzen oder Krämpfe das Training stark behindern. Hier ist dann eher ein leichtes Training oder auch eine Trainingspause sinnvoll. Nach der Menstruation, in der Follikelphase, steigt allerdings der Östrogenspiegel an, wodurch die Frau mehr Energie und Kraft hat. Die optimale Zeit für schweres Training. Auch die Motivation ist in diesem Zeitraum meist höher. Die Leistungsspitze ist normalerweise am Ende der ersten Zyklushälfte mit dem Eisprung erreicht. Nach dem Eisprung, in der zweiten Zyklushälfte, der Lutealphase, sind Frauen dafür meist ein bisschen schwächer oder fühlen sich zumindest weniger energiegeladen, da der Östrogenspiegel wieder absinkt und dafür das Hormon Progesteron ansteigt. Die Auswirkungen können allerdings relativ stark von einer Frau zur anderen schwanken. Auch innerhalb der einzelnen Phasen kann es Schwankungen geben. Daher ist es wichtig zu wissen, wie es bei euch selbst ist und auf den eigenen Körper zu hören. Die eigenen Erfahrungen sollten also auf alle Fälle in die Planung mit einfließen, unabhängig davon, was die Studienlage jetzt sagt. 

Wettkämpfe richten sich zwar nicht nach dem Zyklus, aber das Training kann gut an den Zyklus angepasst werden. Schwere Trainingseinheiten oder Deloadphasen lassen sich dementsprechend legen, in welcher Phase die Frau gerade ist. In der ersten Zyklushälfte kann die Frau dann mit einem etwas höheren Volumen trainieren, z. B. durch mehr Sätze oder sogar einen zusätzlichen Trainingstag. In der zweiten Zyklushälfte werden die Sätze dafür etwas reduziert.

Das macht nicht nur aus trainingswissenschaftlicher Sicht Sinn, sondern ist auch psychisch angenehmer, da es Druck wegnimmt, trotz Schwankungen im Zyklus immer Topleistungen im Training erbringen zu müssen.

Regelmäßig ausreichend Kohlenhydrate zu essen kann zusätzlich helfen, die Leistungsfähigkeit im Training zu verbessern. Vor allem wenn euch im Training regelmäßig schwindlig wird, dann solltet ihr es mal mit einer kohlenhydratreichen Mahlzeit oder zumindest einem Snack vor dem Training probieren.


Durch den schwankenden Östrogenspiegel verändert sich auch die Verletzungsanfälligkeit, Frauen haben ansich ja schon ein elastischeres Bindegewebe als Männer. Die Häufigkeit von Kreuzbandverletzungen bei Frauen ist z. B. deutlich höher als bei Männern. Ein hoher Östrogenspiegel ist zwar positiv für den Muskelaufbau. Gleichzeitig werden aber auch die Bänder lockerer und die Sehnen weicher, was die Verletzungsanfälligkeit in diesem Bereich erhöht. Deswegen enthält mein Training mit Frauen auch immer Übungen, die helfen, die Gelenke zu stabilisieren, um dem bestmöglich vorzubeugen.  


Was ich hier beschrieben hab ist der normale Zyklus. Hormonelle Verhütungsmethoden wie die Pille oder auch ein extrem niedriger Körperfettanteil bei Sportlerinnen können die Auswirkungen allerdings beeinflussen. Außerdem ist jeder Mensch ein bisschen unterschiedlich. Deswegen kann es auch immer Ausnahmen von der Regel geben. Also am besten einfach ausprobieren, was für die jeweilige Athletin am besten funktioniert.


Leider gibt es bisher zu dem Thema noch nicht sehr viele Studien, weil es doch irgendwie lange Zeit ein Tabuthema war. Ich erwarte aber, dass es hier in den nächsten Jahren noch viele neue Ergebnisse geben wird, die uns helfen werden, das Training für Frauen noch besser zu verstehen und das Training entsprechend zu optimieren. Weil auch in der Wissenschaft ist inzwischen angekommen, dass Frauen nicht einfach nur kleine Männer sind.


Ich freue mich, wenn dieses Video euch hilft oder zumindest auch mal einen Denkanstoß gibt, falls ihr euch mit dem Thema bisher noch nicht beschäftigt habt. Ich muss zugeben, ich hab mir da auch lange Zeit keine wirklichen Gedanken gemacht.


Schreibt mir eure Erfahrungen zu dem Thema gerne in die Kommentare


 

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