Donnerstag, 29. Juni 2017

Textneck – Das Problem mit dem Nacken

Wenn Athleten mit Problemen zu mir kommen, sind diese in der Regel sportarttypisch oder lassen sich auf bestimmte Bewegungen in ihrer Sportart zurückführen. Rückenschmerzen waren bisher eine der wenigen Ausnahmen, die sportartübergreifend immer wieder auftreten. In letzter Zeit hat sich ein neues Problem dazugesellt, bei dem sich ein klarer Trend erkennen lässt. Immer mehr Athleten haben mit Verspannungen und Schmerzen in der Nackengegend zu kämpfen. Und die Zahl der Problemfälle ist innerhalb kürzester Zeit rapide angestiegen. Nach einem kurzen Gespräch, lässt sich das Problem bei vielen Athleten auf eine bestimmte Ursache zurückführen: Die Körperhaltung bei der Benutzung ihres Smartphones.
Menschen, die viel am Computer arbeiten und dabei stundenlang auf den Monitor schauen müssen, kennen das Problem bereits. Sie sitzen oft in einer vorgebeugten Haltung mit nach vorne geschobenem Kopf am Schreibtisch. Die Nackenmuskulatur ist durchgehend auf Zug, was auf Dauer zu Verspannungen und langfristig auch zu dauerhaften Wirbelsäulenproblemen führen kann.

Das kann nicht nur zu Nackenschmerzen führen, auch Kopfschmerzen sind häufig eine Folge dieser schlechten Haltung. Durch das nach vorne eingerollte Sitzen wird ebenfalls unsere Atmung eingeschränkt. Probiere einmal so tief wie möglich einzuatmen! Du merkst sofort, wie du dich automatisch aufrichtest, da nur so die an der Atmung beteiligte Muskulatur optimal arbeiten kann. Diese unbewusste flache Brustatmung hat negative Effekte auf unseren gesamten Körper, nicht nur auf den Nacken.
Daher lohnt es sich aus vielen Gründen bewusster zu sitzen bzw. regelmäßig auch mal aufzustehen, um sich zu bewegen und auch bewusster zu Atmen.

Was hier beim Arbeiten am Bildschirm schon Probleme bereitet, wird durch die regelmäßige Nutzung des Smartphones noch einmal verstärkt. Im Vergleich zum nach vorne Schauen auf einen Monitor, geht der Blick beim Handy meist nach unten, was die Belastung auf den Nacken nochmals verstärkt. Das ca. sechsfache Gewicht des Kopfes lastet dadurch auf dem Nacken.

Quelle: Dr. Ken Hansraj M.D.

Wenn man sich dann dazu anschaut, wie viele Stunden am Tag der Durchschnittsbürger am Smartphone verbringt, kann man ungefähr abschätzen, wie dramatisch das Problem ist. Veränderungen der Brust- und Halswirbelsäule lassen sich inzwischen bereits bei Jugendlichen beobachten. Im Englischen gibt es für das Problem bereits einen neuen Fachausdruck: „Textneck“.

Computer und Handys werden aus unserem Alltag nicht einfach verschwinden. Zu einem Betroffenen zu sagen: „Benutze dein Smartphone nicht mehr!“ ist deshalb natürlich unrealistisch. Daher müssen wir Möglichkeiten finden, wie wir die negativen Folgen bestmöglich abschwächen können.

Zunächst einmal gibt es ein paar allgemeine Tipps, die im Alltag für Entlastung sorgen bzw. dabei helfen, dass das Problem gar nicht erst auftritt.
  • Hebe dein Handy hoch! Auch wenn es auf Dauer für viele unpraktikabel klingt, das Handy ständig auf Augenhöhe zu halten, hilft doch jedes Grad, dass das Handy höher gehalten wird, den Nacken zu entlasten.
  • Regelmäßig Pausen machen bei längerer Nutzung.
  • Auch bei der Smartphone Nutzung im Liegen darauf achten, den Kopf nicht zu sehr zu beugen und das Handy auf Augenhöhe zu halten.
  • Immer wieder bewusst den Nacken und die Brustwirbelsäule in die Gegenrichtung strecken, um die belastete Muskulatur zu entlasten.
  • Achte bewusst auf Situationen, in denen du in problematische Haltungen kommst. Versuche bei der Nutzung ein Doppelkinn zu machen bzw. den Kopf nach hinten zu schieben. Dadurch behältst du eine aufrechtere Haltung.

Natürlich bekommen die Betroffenen auch Übungen, um gezielt gegen die Überbeanspruchung vorzugehen. Hier ein paar Beispiele, die sich leicht zu Hause oder im Büro ausführen lassen:


Kopf strecken, beugen, drehen in Bauchlage:


In Bauchlage auf den Ellbogen abstützen, dann den Kopf langsam und kontrolliert einige Male beugen und strecken. Danach aus der gleichen Ausgangsposition den Kopf so weit es geht von links nach rechts drehen und dabei über die Schulter schauen. Beide Bewegungen sollten ohne Schwung und nur in einem angenehmen Bereich ausgeführt werden. Es geht darum, die Halswirbelsäule zu bewegen, dazu muss man sich nicht in extreme Endbereiche zwingen.


Nackenbrücke an der Wand:


Mit dem Rücken und dem Kopf gegen eine Wand lehnen. Dabei nach Möglichkeit ein Polster unter den Hinterkopf legen. Mit den Füßen ein Stück von der Wand weggehen. Der Abstand der Füße bestimmt hierbei die Schwierigkeit der Übung. Jetzt den Rumpf und den Po anspannen und mit dem Kinn ins Doppelkinn drücken. Hierdurch den Körper von der Wand wegdrücken, sodass nur noch der Hinterkopf Kontakt hat. Um eine bessere Aktivierung der Nackenmuskulatur zu erzielen, mit der Zunge kräftig gegen den Gaumen drücken. Diese Position ca. 20-30 Sekunden halten.


Kinnanziehen im Vierfüßlerstand:


Start in Vierfüßlerstellung mit nach unten hängendem Kopf. Jetzt ein Doppelkinn machen und in dieser Position den Kopf nach oben in eine neutrale Position ziehen. Der Kopf sollte nicht überstreckt werden. Es reicht, wenn er auf einer Linie mit dem restlichen Körper ist. Auch hierbei wieder lässt sich die Zielmuskulatur besser aktivieren, wenn mit der Zunge kräftig gegen den Gaumen gedrückt wird. Probiere 6 - 8 Wiederholungen für 2 - 3 Sätze.


Spannung aufbauen auf den Fäusten:


Mit beiden Händen eine Faust machen und diese unter das Kinn ansetzen. Dann mit dem Kinn gegen die Fäuste drücken und dabei gleichzeitig mit der Zunge gegen den Gaumen drücken. Die Spannung für einige Sekunden halten und dann wieder lösen.

Ebenfalls helfen können alle Übungen, die die Brustwirbelsäule mobilisieren. Den entsprechenden Artikel findet ihr hier: Macht eure Brustwirbelsäule mobil fürbessere Gesundheit und mehr Leistung!


Klar muss aber sein, dass auch ein paar Übungen täglich nicht die Lösung des Problems sein können. Zwar helfen sie, die Beschwerden abzumildern und ein besseres Bewusstsein für eine gute Körperhaltung zu entwickeln, stundenlange Fehlbelastung können sie trotzdem nicht ungeschehen machen. Nur wer es schafft, seine „schlechten“ Angewohnheiten langfristig zu korrigieren, bleibt auch vor Nackenschmerzen verschont bzw. bekommt seine Probleme in den Griff.

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