Mittwoch, 29. Oktober 2014

Schulterprobleme entstehen nicht zwangsläufig in der Schulter

Schulterschmerzen gehören wohl zu den häufigsten Problemen bei Baseballspielern und anderen Wurfsportlern. Daher wird bei diesen Sportarten ein großer Fokus auf die Gesundheit der Schulter gelegt. Die meisten denken hierbei sofort an das Training der Rotatorenmanschette mit Kurzhanteln oder Tubings. Eine starke Rotatorenmanschette ist selbstverständlich wichtig, um den Oberarmkopf stabil in der Schulterpfanne zu halten.



Viele Probleme beginnen allerdings schon viel weiter vorne in der Bewegungskette. Die Schulter ist hier nur das schwächste Glied in der Kette, an dem sich das Problem letztendlich zeigt.

Die richtige Bewegung der Schulterblätter

Die Rotatorenmanschette besteht aus 4 verhältnismäßig kleinen Muskeln. Deren wichtige Aufgabe ist es den Oberarmkopf in jeder Armposition in die Schulterpfanne zu ziehen (zentrieren). So bleibt gewährleistet, dass der im Verhältnis zur Schulterpfanne größere Oberarmkopf nicht in seinem Gelenk herumrutscht. Damit der Arm bei der Wurfbewegung in der Schulterpfanne zentriert bleiben kann, muss sich das Schulterblatt ebenfalls über die gesamte Bewegung am Brustkorb entlang bewegen können und am Ende nach oben mit rotieren. Sonst wird der Oberarmkopf aus seiner Zentrierung herausgezwungen.

Problem 1: Ein überdominanter Latissiumus

Die Standardanweisung beim Training der Rotatorenmanschette an den Athleten ist: „Setze die Schulterblätter gut, indem du sie nach innen und unten ziehst.“ Diese Bewegung sollte (unter anderem) durch den unteren Anteil des Trapezius ausgeführt werden. Der untere Anteil des Trapezius arbeitet beim Wurf als „Anker“, um das Schulterblatt zu stabilisieren. Diese Anweisung ist jedoch nicht für jeden Sportler zielführend. Bei vielen Werfern ist der Latissimus überdominant. Der Latissimus setzt zwar nicht direkt am Schulterblatt an, arbeitet aber in einer ähnlichen Zugrichtung wie der untere Trapezius und beeinflusst die Rotation des Schulterblattes mit. Da er kräftiger ist als der Trapezius versucht er gerne dessen Aufgabe zu übernehmen. Der Athlet steckt dann in einer Position fest, in der das Schulterblatt in der Grundhaltung bereits zu weit nach unten rotiert ist. Der Versuch, die Schulterblätter nach innen und unten zu ziehen, verstärkt diese Tendenz meist noch weiter.
Die Folge hiervon ist, dass das Schulterblatt bei der Wurfbewegung nicht den vorgesehenen Weg mitgehen kann. Wenn das Schulterblatt jedoch nicht sauber mit durch die Wurfbewegung geht, muss der Oberarm, wie oben beschrieben, dieses Bewegungsdefizit ausgleichen und rutscht dabei aus seiner Zentrierung in der Schulterpfanne heraus. Das kann auch eine starke Rotatorenmanschette nicht verhindern.
Auf Dauer kann diese Fehlbelastung eine Reihe von Problemen und Überlastungsverletzungen erzeugen.

Ob das Schulterblatt eines Athleten vom Latissimus zu weit herunter gezogen wird, kann man bereits anhand der Körperhaltung sehen.



Wie im Bild zu erkennen, steht das Schulterblatt beim Athleten links bereits in seiner Ausgangsposition zu weit nach unten rotiert. Die rote Linie entlang des Schulterblattes zeigt dessen Verlauf etwas besser auf. Der Athlet wird daher Schwierigkeiten haben, das Schulterblatt beim Werfen in die richtige Position zu bekommen. Zum Vergleich sieht man auf dem rechten Bild, wie das Schulterblatt normal stehen sollte.
Zusätzlich erkennt man das Problem auch an den hängenden Schultern (schwarze Linie). Auf dem linken Bild fällt die Kontur der Schultern diagonal ab. Auf dem rechten Foto ist die Schulter hingegen deutlich horizontaler.

Lässt man den betroffenen Athleten die Arme nach vorne anheben, sieht man dabei meist auch eine Ausweichbewegung des Oberkörpers, damit die Arme, trotz stehen bleibendem Schulterblatt, bis ganz nach oben gehoben werden können.
Meist fällt der Athlet dabei ins Hohlkreuz und die Rippen kommen nach vorne heraus.



Problem 2: Fehlende Mobilität in der Brustwirbelsäule

Der überdominante Latissiums ist ein Grund für diese Ausweichbewegung. Es gibt allerdings noch weitere Faktoren, an denen dieses Ausweichen liegen kann.
Um die Arme problemlos komplett über den Kopf heben zu können, muss die Brustwirbelsäule eine gewisse Beweglichkeit besitzen.
Wenn dem Athleten die nötige Mobilität in der Brustwirbelsäule fehlt, muss diese wiederum durch die Bewegung der Lendenwirbelsäule kompensiert werden. Die Lendenwirbelsäule ist allerdings darauf ausgelegt stabil zu sein. Daher führt diese Verschiebung in der Bewegungskette nicht selten zu Schmerzen im unteren Rücken. Diese Verschiebung zieht sich durch die gesamte Kette durch. Durch das Zurücklehnen des Oberkörpers, kann das Schulterblatt nicht mehr in die für das Werfen optimale Position gebracht werden. Die Folge ist wiederum die Dezentrierung des Oberarmkopfes, da die Schulter als schwächstes Glied in der Kette die fehlende Mobilität ausgleichen muss. Auf Dauer erhalten wir dann häufig die Quittung in Form von Schulterschmerzen und Überlastungsverletzungen.

Problem 3: Zu schwache Rumpfmuskulatur 

Aber auch eine zu schwache vordere Rumpfmuskulatur kann die Ursache sein, dass wir ins Hohlkreuz fallen oder die richtigen Brustkorbposition verlieren. Die Rippen gut zu setzen bedeutet, dass der Abstand zwischen Brustkorb und Becken sich nicht verändert. 
Die Aufgabe des Rumpfes beim Werfen ist es, dem Körper die nötige Stabilität zu geben, damit die Kraft aus den Beinen in den Oberkörper transferiert werden kann. Ist er hierzu zu schwach oder wird er vom Körper nicht richtig angesteuert, weicht der Oberkörper aus und ein Teil der Energie verpufft. Das Resultat ist dabei meist das gleiche wie in den oben beschrieben Fällen. Der Athlet fällt ins Hohlkreuz und die Rippen kommen nach vorne. Das Schulterblatt kann nicht in die richtige Position gebracht werden und die Schulter muss das Problem ausgleichen.
Eine gut ausgebildete Rumpfvorderseite hält die Rippen in Position und erlaubt einen effizienten Energietransfer vom Unter- in den Oberkörper.


Die oben aufgezählten Faktoren beeinflussen sich zum Großteil gegenseitig. Wenn eines der Elemente in der Bewegungskette gestört ist, beeinflusst das direkt auch die anderen in der Wurfbewegung beteiligten Körperteile.
Wer mit Schulterproblemen zu kämpfen hat sollte sich daher das gesamte Bild anschauen und sich nicht nur auf das Training der Rotatorenmanschette beschränken. Wie beschrieben können die Ursachen hierfür vielfältig sein. Oft hilft das Beheben eines der aufgezeigten Probleme, um die Schulter wieder in eine gute Position zu bekommen und hierdurch die Schulterprobleme zu beseitigen.

Im nächsten Teil, werde ich euch ein paar der Übungen zeigen, die ich verwende um diese Probleme zu beheben.

Diese Probleme betreffen übrigens nicht nur die Schulter. Auch der Ellbogen kann hierdurch in Mitleidenschaft gezogen werden. Als eines der letzten Glieder in der Kette ist auch er anfällig für Überlastungen durch Bewegungen, für die er eigentlich nicht ausgelegt ist.

In Teil 2 gehe ich genauer auf die richtige Bewegung der Schulterblätter ein und zeige, wie ich das Problem mit unseren Athleten angehe.

4 Kommentare:

  1. Und wie kann man derartige Probleme wie 1-2 lösen?

    Danke

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    1. Zu 1. Dein Training kontrollieren wieviel Übungen du für den Latissimus hast und gegebenenfalls anpassen. Und vor allem auf einen gut dehnfähigen Latissimus achten. Kraft ist nie schlecht nur wenn deine Muskeln zu steif und unelastisch werden hast du ein Problem.
      Zu 2.ergänzend ganz banal Blackpool für die Brustwirbelsäule und dann deinen Trainingsplan wieder checken bei welchen Übungen du die Beweglichkeit der Brustwirbelsäule brauchst und wie du sie ausführst. Oft hilft eine saubere Ausführung schon extrem weiter.
      TRAINER FRAGEN!

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    2. Ich werde demnächst noch einen Artikel nachschieben, in dem ich ein paar Übungen vorstelle, mit denen ich zusätzlich an den beschriebenen Problemen arbeite.

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  2. Guter Artikel.

    Was viele nicht wissen ist, dass der Latissimus aktiv an der Wurfbewegung beteiligt ist, da er den Oberarm im Schultergelenk nach innen dreht. der Lat. ist zwar hinten, arbeitet aber beim Wurf trotzdem mit den "Vorwärts" Muskeln (brust, schulter...) zusammen. Die Innenrotation des Oberarms ist nämlich mit die stärkste beschleunigende Kraft und Topwerfer erreichen unglaublich hohe Raten an Innenrotation (viele Wissen das gar nicht und denken beim Wurf nur an Schulterflexion und Armstreckung, dabei hat die Innenrotation im Oberarm vermutlich noch mehr Anteil an der Beschleunigung.

    https://ojs.ub.uni-konstanz.de/cpa/article/viewFile/2695/2533

    Diese starke Innenrotation ist wichtig um hart Werfen zu können, bedingt aber auch ein Verletzungspotential, weshalb es wichtig ist die Außenrotatoren der Schulter (die viel kleiner sind als die riesigen Innenrotatoren wie Lat., pectoralis und vorderer Anteil des Delta) zu stärken.

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