Wir
leben in einer Leistungsgesellschaft. Das ist nichts Neues. Auch unsere Kinder
werden von diesen gesellschaftlichen Vorgaben immer früher erfasst.
Das
trifft auch auf den Sport zu. Erfolgreich zu sein, nimmt bereits in jungen
Jahren zum Teil absurde Züge an.
Da, wo eigentlich der Spass am Sport im Vordergrund stehen sollte, stehen
inzwischen viel zu oft die Ergebnisse an erster Stelle. Kinder trainieren nach
ähnlichen Programmen wie die Profis und alles wird auf die eine „richtige“
Sportart ausgelegt.
Besonders
schlimm ist diese Situation in den USA, wo sportlicher Erfolg wichtig für ein
Collegestipendium ist. Hier hängt viel Geld bzw. die schulische Karriere vom
Erfolg im Sport ab. Aber auch bei uns nimmt diese Problematik immer weiter zu.
Die Gründe hierfür sind vielfältig und teilweise nur schwer zu lösen. Aber
fangen wir erstmal damit an, warum die frühzeitige Spezialisierung
problematisch sein kann.
Das
offensichtlichste Problem dabei ist der Spass und die Motivation der Kinder am
Sport. Wer von seinen Eltern, Trainern etc. durchgehend zu Höchstleistungen
angeschoben und gedrillt wird, verliert schnell die Lust am Sport und empfindet
Training und Wettkampf nur noch als Belastung.
Anstatt
also einen künftigen Topsportler zu „produzieren“, verlieren wir eine Menge
Kinder komplett, da sie keine Lust mehr auf Sport jeglicher Art haben.
Außerdem
verpassen wir durch zu frühe Spezialisierung eine wichtige Zeitspanne der
körperlichen Entwicklung. In jungen Jahren lernt der Körper noch leicht neue
Dinge. Das gilt auch für Bewegungsmuster und andere sportliche Fertigkeiten.
Ziel sollte es daher sein, eine möglichst breite Basis an athletischen Fertigkeiten
bei Kindern zu entwickeln. Dies funktioniert am einfachsten durch das Einwirken
vieler verschiedener Reize, z. B. durch verschiedene Sportarten.
Die
Sorge, dass dadurch wichtige Trainingszeit für die künftige Sportart auf der
Strecke bleibt, ist unbegründet. Ein Kind mit vielseitigen athletischen
Fertigkeiten kann diese auch später viel leichter auf andere sportliche
Bereiche übertragen. Was andere Kinder vielleicht durch frühzeitiges
Spezialisieren voraushaben, holen die vielseitiger ausgebildeten Kinder schnell
auf. Jeder Coach weiß aus der Erfahrung heraus, dass ein guter Athlet einfacher
zu coachen ist und Korrekturen schneller umsetzen kann.
Auf
breiter Basis körperlich ausgebildete Kinder haben außerdem ein größeres
Potential für zukünftige Entwicklung und erreichen erst später ihre
Leistungsgrenzen.
Schaut
man sich heutige Topathleten an, fällt auf, dass fast alle von ihnen zu ihrer
Schulzeit gut in mehreren Sportarten waren und sich letztendlich für die
Sportart entschieden haben, die ihnen entweder am besten gefiel oder in der
sie am erfolgreichsten waren.
Aber
auch ernsthafte körperliche Probleme können die Folge von zu frühzeitiger
Spezialisierung sein. Viele Sportarten belasten den Körper auf einseitige
Weise. Junge Körper sind hierfür jedoch oft nicht vorbereitet.
Überlastungsverletzungen nehmen deshalb in letzter Zeit immer weiter zu.
Die
Zahlen an Ellbogenoperationen bei Wurfathleten z. B. sind in den letzten Jahren
durch die Decke gegangen.
Durch
die Ausübung verschiedener Sportarten könnte dies häufig verhindert werden. Der
Körper wird gleichmäßiger belastet und hat die Chance sich der Belastung
anzupassen.
Kommen
wir zu den Gründen dieser bedenklichen Entwicklung.
Vereine,
gerade von kleineren Sportarten, stehen in hartem Konkurrenzkampf um die besten
Athleten. Daher kämpfen sie frühzeitig um Nachwuchs und versuchen diesen so
jung wie möglich an sich zu binden. Nur so kann sichergestellt werden, dass man
die besten Athleten bekommt. Je älter die Kinder werden, desto größer ist die
Wahrscheinlichkeit, dass diese bereits eine andere Sportart ausüben. Dann
bleiben im Zweifel nur noch die „Überbleibsel“ übrig, welche vielleicht in
anderen Sportarten nicht gut genug waren. Diese Strategie geht inzwischen so
weit, dass die Saison mancher Sportarten bewusst so gelegt wird, dass andere
Sportarten erst gar nicht in Frage kommen. Wer außerdem nach Saisonende eine
weitere Sportart betreiben möchte, wird oft von Trainern und Teamkollegen
schräg angeschaut, da er außerhalb der Saison im Training fehlt. Das wird oft als
Trainingsfaulheit ausgelegt oder es heißt: „Dir ist das Team egal und du suchst
dir nur das raus, was dir Spass macht.“ Nicht selten verspielt das Kind
hierdurch seinen Platz in der Startaufstellung.
Wenn
Eltern versuchen ihre eigenen Träume auf dem Rücken ihrer Kinder auszuleben, entstehen immer wieder unschöne Situationen. Dabei will ich hier keinem
Elternteil die guten Intensionen absprechen, ihr Kind so gut wie möglich in
ihrer Karriere zu unterstützen. Die Linie zwischen Unterstützung und dem Versuch seine Kinder zu ihrem Glück zu zwingen, ist fein. Manchmal benötigt ein Kind
einen Schubs in die richtige Richtung und muss sich auch durch schwierigere
Phasen durchkämpfen. Dies gehört zur Charakterentwicklung dazu. Auf der anderen
Seite ist die Eigenmotivation des Kindes wichtig. Wenn das Kind nur noch
versucht, den Erwartungen der Eltern gerecht zu werden und die Unterstützung
mehr als Zwang empfunden wird, ist die Linie überschritten.
Die
Dokumentation “State of Play: Trophy Kids” zeigt das Problem sehr drastisch.
Wer sich in den Eltern der hier gezeigten Kinder wiederfindet, sollte sein
Verhalten sehr genau überdenken.
Letztendlich
geht es darum, dass Kinder Spass am Sport haben. Je jünger die Kinder, desto
mehr sollte der Spassfaktor dabei im Vordergrund stehen. Natürlich kommt
irgendwann der Punkt, an dem es in Richtung Leistungssport geht. Dann ist die Spezialisierung
wichtig und unvermeidlich. Wann diese Spezialisierung passieren sollte, lässt
sich nicht pauschal sagen. Je nach Sportart und persönlicher Entwicklung eines
Athleten variiert der Zeitrahmen um mehrere Jahre. Bei Turnern oder
Eiskunstläufern z. B. ist eine frühzeitige Spezialisierung nicht zu vermeiden.
In
anderen Sportarten, in denen die Leistungsspitze erst relativ spät erreicht
wird, erfolgt die Spezialisierung jedoch viel zu oft zu früh.
Diese
Entwicklung zu durchbrechen ist zugegebenermaßen nicht einfach. Das mindeste, was wir jedoch als Trainer dagegen machen können, ist das Training im
Nachwuchsbereich abwechslungsreicher zu gestalten und vielfältige Reize zu
setzen. Ein Training, gerade in der Offseason, muss nicht immer
sportartspezifisch sein. Hier lässt sich viel variieren. Gleichzeitig haben die
Kinder nach meiner Erfahrung auch immer viel Spass dabei, wenn sie im Training
auch sportartfremde Beschäftigungen bekommen.
Mit
fortschreitendem Alter bietet auch das Krafttraining Möglichkeiten, um für
Abwechslung, Ausgleich von einseitiger Belastung und natürlich auch zur
Leistungssteigerung beizutragen. Je weiter die Entwicklung in Richtung immer
früherer Spezialisierung geht, desto wichtiger wird die Komponente eines
durchdachten Krafttrainings dabei, um Verletzungen vorzubeugen und fehlende
athletische Qualitäten zu entwickeln.
Ich
hoffe, dass ich mit meinem Artikel zum Nachdenken anregen konnte und wir die
Art und Weise, wie wir den Nachwuchssport betrachten, in die richtige Perspektive
setzen können.
Eure
Meinung zu dem Thema sowie mögliche Lösungsansätze interessieren mich sehr. Bitte
schreibt hierzu einfach einen Kommentar am Ende des Artikels.
Great work ! Thanks for this !
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