Sonntag, 29. Dezember 2013

Die Schulter bei Wurfsportlern Teil 1

Als Strength and Conditioning Coach im Baseball liegt einer meiner Hauptfokuspunkte auf der Gesundheit der Schulter. Denn wenn ein Spieler nicht werfen kann, kann er kein Baseball spielen. Die Schulter ist eines unserer beweglichsten Gelenke und bei einem Wurfsport wie Baseball gleichzeitig auch eines der am meisten beanspruchten. Gerade die gute Beweglichkeit macht die Schulter sehr empfindlich. Die Schulterpfanne ist im Verhältnis zum Oberarmkopf relativ klein und kann nur wenig Stabilität geben. Die Aufgabe, den Arm in der Schulterpfanne zentriert zu halten, übernimmt daher hauptsächlich die Muskulatur.

Wenn man sich die recht kleinen Muskeln der Rotatorenmanschette anschaut, die den Oberarmkopf hierbei halten, versteht man, warum diese möglichst optimal arbeiten sollten.




Einen verhältnismäßig leichten Gegenstand wie einen Baseball zu werfen, ist die schnellste Bewegung, die der Mensch willentlich erzeugen kann. Bei den besten Pitchern (Werfern) im Baseball entstehen am Punkt der größten Beschleunigung Winkelgeschwindigkeiten von ca. 8500° pro Sekunde. Anders ausgedrückt bedeutet das, dass der Arm, gäbe es keine Begrenzung, ca. 24 mal in der Sekunde in der Schulterpfanne rotieren würde.

Diese Geschwindigkeiten üben einen extrem hohen Stress auf die Schulter aus. Die meisten Wurfverletzungen entstehen daher beim Abbremsen dieser enormen Beschleunigung, nachdem der Ball die Hand verlassen hat. An diesem Punkt fällt der Widerstand durch den Ball plötzlich weg und der Körper muss die verbliebene Energie des Wurfes abfangen. Arbeitet der Körper dabei nicht wie eigentlich vorgesehen, bleibt ein Großteil dieser Bremsarbeit an der Schulter hängen. Man kann sich vorstellen, dass das auf Dauer nicht gut gehen kann.

Um die Schulter auf diese Belastung bestmöglich vorzubereiten, trainieren wir daher gezielt die vier Muskeln der Rotatorenmanschette (Supraspinatus, Infraspinatus, Subscapularis und Teres minor). Diese haben unter anderem die Aufgabe den Oberarmkopf in der Schulterpfanne zu zentrieren. Je besser sie diese Aufgabe erfüllen, desto besser findet der verhältnismäßig große Oberarmkopf Stabilität in der kleinen Schulterpfanne.
Aber nicht nur die Rotatorenmannschette selbst ist für einen guten Stand und die Stabilität der Schulter zuständig. Die Muskeln der Rotatorenmanschette entspringen alle am Schulterblatt. Daher muss auch das Schulterblatt selbst gut stehen. Was wir häufig bei Athleten beobachten ist, dass die Schulterblätter vom Brustkorb abstehen (auch Winging bzw. Tipping genannt, siehe Bild). Dies zeigt sich auch in den oft nach vorne gerollten Schultern vieler Wurfsportler. Auch ein Höhenunterschied der beiden Schulterblätter tritt häufig auf. Die Wurfschulter steht dabei in der Regel tiefer als die der Nichtwurfseite.
Ein Hauptaugenmerk liegt daher auch auf dem Training und der gezielten Aktivierung der Muskeln, die für die Position des Schulterblattes verantwortlich sind.
Für einen reibungslosen Ablauf muss sich das Schulterblatt über die komplette Wurfbewegung sauber mitbewegen.
Diese Bewegung kann allerdings durch überdominante oder nicht ordentlich mitarbeitende Muskeln gestört werden. Dies lässt sich z. B. durch langsames aktives Heben und Senken der Arme erkennen. Hier sieht man ob das Schulterblatt während der Bewegung an einer bestimmten Position stecken bleibt oder springt.
Solche Dysfunktionen erhöhen den Stress an anderen Stellen der Schulter, die die falsche bzw. fehlende Bewegung kompensieren müssen.

Im Schultergelenk geht es sehr eng zu. Eine Vielzahl an Muskeln setzen hier an oder laufen durch das Schultergelenk hindurch. Stehen die Schulterblätter oder der Oberarmkopf nicht richtig, reicht der Platz in der Schulter oft nicht mehr aus. Dann können Sehnen, Schleimbeutel oder andere Strukturen eingeklemmt oder ungewollter Reibung ausgesetzt werden. Das zeigt wie wichtig eine gute Haltung für die Gesundheit der Schulter ist.

Bevor man mit einem Athleten arbeitet, muss man also zunächst immer dessen aktuellen Stand ermitteln, um im Training auf die persönlichen Besonderheiten jedes Sportlers eingehen zu können.
Eine generelle Trainingsempfehlung, die für alle Athleten zutrifft, kann es daher nicht geben.

Trotzdem lassen sich einige allgemeine Empfehlungen geben, die auf die meisten Wurfsportler zutreffen. Diese behandle ich im zweiten Teil dieses Artikels.

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