Donnerstag, 7. März 2024

Sind wir alle Hochstapler? - Das Impostersyndrom

Wie geht es euch, wenn ihr für eure Arbeit gelobt werdet? Freut ihr euch einfach darüber oder fühlt ihr euch dabei unwohl und versucht vielleicht sogar das Lob zurückzuweisen? Auf den ersten Blick kann das natürlich einfach Bescheidenheit sein, aber vielleicht ist das auch ein Fall von Imposter-Syndrom.



Vor einiger Zeit habe ich bereits über den Dunning-Kruger-Effekt gesprochen. Also jemand, der sich für einen Experten in einem bestimmten Thema hält, obwohl er nur oberflächliches Wissen hat. Das Gegenteil davon ist das Imposter-Syndrom. Auch Hochstapler-Syndrom genannt.

Jemand der sich in seinem Fachgebiet eigentlich sehr gut auskennt, aber trotzdem immer Zweifel daran hat, dass er seine Stellung verdient hat. Jemand der glaubt, dass sein Umfeld ihn für besser hält als er tatsächlich ist, oder auch der denkt, dass sein Erfolg nur Glück oder Zufall war. Und dadurch entsteht die Angst aufzufliegen. Irgendwann merken die anderen, dass ich eigentlich gar nichts weiß.

Selbst wenn die Ergebnisse eigentlich für sich sprechen, können Menschen mit Imposter-Syndrom diese nicht internalisieren. Die eigene Selbsteinschätzung passt also nicht mit den tatsächlichen Erfolgen zusammen.


Genauso wie ich mich immer mal wieder dabei erwische, wie ich selbst ein Opfer des Dunning-Kruger-Effekts werde, habe ich auch das Imposter-Syndrom schon selbst am eigenen Leib erlebt. In meiner Trainerkarriere hatte ich das Privileg, mit vielen hochkarätigen Trainern aus verschiedenen Sportarten und vielen beeindruckenden Athleten zusammenzuarbeiten. Nachdem ich keinen Universitätsabschluss in Sportwissenschaft oder ähnliches habe, habe ich keinen Zettel, auf dem steht, was ich kann. Vielmehr habe ich mir mein Wissen selbst durch Eigenstudium, also viel Lesen, Recherchen, die eigene Erfahrung aus meinem Training und dem Training mit anderen Athleten sowie dem konstanten Austausch mit anderen Trainern angeeignet. Und auf dem Weg dahin natürlich auch vieles ausprobiert, was nicht funktioniert hat. Dadurch kam aber auch immer mal wieder das Gefühl auf, wenn ich z. B. mit einem Topsportler gearbeitet habe: Bin ich überhaupt gut genug, das jetzt zu machen? Kenne ich mich gut genug aus, um diesem Athleten bestmöglich zu helfen?

Waren meine bisherigen Erfolge, die mich hierher gebracht haben, einfach nur Zufall oder Glück? Weil eigentlich mache ich ja nichts besonders. Ich verwende ja nur das Wissen, das eigentlich für jeden frei zugänglich ist.


Das Problem ist, dass das, was wir können und was wir wissen für uns irgendwann ganz selbstverständlich und oft auch einfach wird. Daher fühlt es sich nicht mehr besonders an. Ganz im Gegenteil, je mehr wir uns mit etwas beschäftigen, desto mehr sehen wir auch, wie viel es noch gibt, das wir nicht wissen. Und weil wir eben wissen, was wir noch nicht wissen, fühlen wir uns unzureichend und beschäftigen wir uns immer wieder mit Themen, die noch über unserem eigenen Level liegen, um besser zu werden. Dadurch kann es aber sein, dass wir uns immer noch wie Anfänger fühlen.

Für andere sieht das aber ganz anders aus. Sie beschäftigen sich nicht so intensiv mit unserem Thema und sind daher froh, wenn sie von unserem Wissen und unserem Können profitieren können.
Klar ist vielleicht vieles von unserem Wissen frei verfügbar. Es zusammenzutragen und vor allem auch entsprechend zu verbinden ist aber Arbeit und Erfahrung von vielen Jahren. Also etwas, das nicht jeder einfach so mal schnell selbst machen kann.

Daher sollten wir uns klar machen, dass es einen Grund gibt, warum wir da sind, wo wir sind. 


Wenn man dann über längere Zeit die Erfolge immer wieder wiederholen kann und immer wieder die Bestätigung bekommt, das was ich hier mache funktioniert wirklich, dann lassen diese Zweifel in der Regel auch immer weiter nach. Zumindest war es bei mir so. Aber es ist einfach wichtig, sich klar zu machen. Niemand kann alles wissen und es ist auch keine Schande etwas nicht zu wissen. 


Damit können wir auch ganz offen umgehen. Niemand erwartet Perfektion von uns außer vielleicht wir selbst. Im Idealfall hat man dafür ein Netzwerk in dem man nachfragen kann oder an das man weiterverweisen kann. 

Gelegentliche Selbstzweifel sind ganz normal und auch nicht weiter schlimm. Wir sollten uns klar machen, dass jeder Mensch Selbstzweifel hat, außer wir haben eine narzisstische Störung. Meiner Meinung nach sind Selbstzweifel sogar wichtig, damit wir uns weiterentwickeln und den Antrieb haben, noch besser zu werden.


Manchmal kommt Erfolg erst nach langer Zeit, obwohl man nicht wirklich etwas anders gemacht hat und dann vielleicht sogar sehr plötzlich. Das kann natürlich zu Selbstzweifeln führen. Aber es ist ganz normal, dass es manchmal eine Weile dauert, bis sich unsere Arbeit auszahlt. Oder wenn wir in eine neue Position kommen, ist es auch normal, dass wir uns erstmal unsicher fühlen. Aber niemand erwartet, dass wir direkt alles wissen, was für diese Position notwendig ist. Deswegen gibt es immer eine Einarbeitungsphase. Wir müssen also nicht so tun als ob wir alles wissen. Es gibt einen Grund warum wir in diese Position gekommen sind. Und solange wir das tun was wir können und nicht versuchen etwas anderes vorzuspielen, gibt es auch keinen Grund, dass wir uns als Hochstapler fühlen.


Deswegen kann ich euch nur ermutigen. Nur weil ihr z. B. kein abgeschlossenes Studium habt, heißt das nicht, dass ihr nicht trotzdem in eurem Bereich ein Experte sein könnt. Gerade heutzutage haben wir Zugang zu so viel guter Information, um uns weiterzubilden, wenn wir uns nicht gerade nur über Instagram unsere Informationen einholen.

Mir jedenfalls ist jemand lieber, der sich durch eigenes Interesse und Engagement tief in einen Bereich eingearbeitet hat, als jemand, der zwar studiert hat, aber kein echtes Interesse für sein Fachgebiet hat und vielleicht sogar mit dem, was er mal im Studium gelernt hat, zufrieden ist und sich nicht mehr weiterentwickelt.


Alleine vom Imposter Syndrom zu wissen kann schon helfen, sein Gefühl besser zu verstehen. Dann erkennen wir hoffentlich auch besser negativen Selftalk und haben die Chance dieses negative Gespräch mit uns selbst zu stoppen.


Und vielleicht hilft es ja ein bisschen, zu wissen, dass viele der Besten der Welt in ihrem Fach auch das Imposter-Syndrom haben, weil sie nicht glauben, dass sie wirklich so gut sind wie die Welt sie sieht. Denn sie machen ja einfach nur ihre Arbeit und für sie ist es nichts besonderes. Selbst Albert Einstein soll vom Imposter-Syndrom betroffen gewesen sein.

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