Dienstag, 16. Februar 2021

Vergiss die PECH-Regel!

Was ist das Erste, was ihr bei einer Verletzung tut? Die Chance ist groß, dass ihr erstmal Pause macht und die Verletzung kühlt. Nicht nur im Alltag, sondern auch im Leistungssport sieht man dieses Vorgehen immer wieder. Schließlich ist die PECH-Regel ja auch die Standardempfehlung bei Verletzungen. Die PECH-Regel wurde 1978 von Dr. Gabe Mirkin veröffentlicht (im englischen RICE Protocol). PECH steht dabei für: Pause – Eis – Compression und Hochlegen. Aber ist die PECH-Regel tatsächlich die beste Reaktion auf eine Verletzung, nur weil sie immer wieder empfohlen wird? Manchmal werden Dinge einfach so oft wiederholt, dass wir gar nicht mehr darüber nachdenken ob sie tatsächlich richtig sind. Die PECH-Regel gehört für mich dazu.



 

Interessant dabei ist, dass inzwischen der „PECH-Regel-Erfinder“ Dr. Mirkin sagt, dass dieses Vorgehen die Heilung eher verzögert, als dass sie sie unterstützt. Trotzdem wird die PECH-Regel nach wie vor empfohlen und bei Verletzungen angewendet.

 

Ich selbst habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass eine Verletzung bei mir deutlich schneller heilt, je mehr ich die betroffene Stelle bewege. Im Gegenzug wurden die Schwellung und auch der Schmerz durch die Ruhe über Nacht meist schlimmer. Erst nachdem ich die Stelle am Morgen einige Zeit bewegt hatte, hat sich wieder eine Verbesserung eingestellt. Die gleiche Erfahrung haben sicher viele von euch auch schon einmal gemacht.

 

Aber warum funktioniert dieses intuitive Verhalten scheinbar besser als die allgemeingültige Empfehlung der PECH Regel?

Dafür schauen wir uns kurz einmal an, wie der Körper auf eine Verletzung reagiert. Die Heilung einer Verletzung passiert in drei Phasen:

 

Entzündungsphase – Proliferationsphase - Remodelierungsphase

 

Alle drei dieser Phasen sind notwendig. Für uns ist in diesem Zusammenhang aber die Entzündungsphase entscheidend. Diese beginnt in dem Moment, in dem eine Verletzung passiert. Der Körper stößt damit die Wundheilung an. Das Immunsystem arbeitet dagegen an, dass an der Verletzungsstelle eine Infektion passiert und beginnt gleichzeitig damit, zerstörtes Zellgewebe abzubauen. Das ist notwendig bevor mit der Reparatur des Gewebes begonnen werden kann.

 

Wenn wir die verletzte Stelle jetzt ruhigstellen und kühlen, wird der Lymphfluss gestört. Dadurch unterbinden wir einerseits den Abtransport von kaputten Zellen von der Wundstelle weg, andererseits verhindern wir aber auch, dass die Stelle mit frischer nährstoffreicher Flüssigkeit versorgt wird. Diese ist aber notwendig, um die zerstörten Strukturen zu reparieren. Das Ziel mag zwar sein, die Schwellung zu verhindern, das Einzige was dabei allerdings passiert ist, dass der Heilungsprozess verzögert wird. Den einzigen positiven Effekt den Eis in dieser Situation haben kann, ist es die Schmerzen zu reduzieren. Sobald wir das Eis wegnehmen, weiten sich die Gefäße wieder und die Schwellung tritt trotzdem oder vielleicht sogar noch stärker auf, wenn es einen Lymphrückfluss gibt. Das letzte was wir bei einer Verletzung also wollen, ist es einen Stau im Gewebe zu erzeugen. Auch der Versuch die Entzündung zu unterbinden macht wenig Sinn. Der Körper weiß sehr gut was er tut. Die Entzündung hat eine notwendige Funktion und spielt eine wichtige Rolle bei der Heilung. Ohne Entzündung keine Heilung!

 

Ziel muss es viel eher sein, die Verstopfung im Gewebe und damit auch die Schwellung so schnell wie möglich abzubauen. Guter Lymphfluss ist wie gesagt dafür notwendig, Nährstoffe zur verletzten Stelle zu bringen und Abfallstoffe und die Schwellung abzubauen. Der Lymphfluss ist aber ein passives System, dass durch Muskelkontraktion angetrieben wird. Es funktioniert also am besten, je mehr wir uns bewegen. Daher gilt für mich der Grundsatz:

 

So viel Bewegung wie möglich, so wenig Pause wie nötig!

 

Das heißt nicht, dass wir jetzt einfach durch den Schmerz weitermachen oder die betroffene Stelle zu früh wieder schwer belasten sollen. Vielmehr geht es darum, die Stelle und die umliegende Muskulatur so viel wie möglich kontrolliert und im schmerzfreien Bereich zu bewegen. Wenn durch die Art der Verletzung eine aktive Bewegung nicht möglich ist, kann auch ein Gerät zur elektrischen Stimulation der Muskeln die Heilung unterstützen. Durch die ermüdungsfreien Muskelkontraktionen wird der Lymphfluss unterstützt und der Abbau der Schwellung beschleunigt. Das reduziert den Schmerz und sorgt dafür, dass wir möglichst schnell in die nächsten Heilungsphasen kommen können.

 

Meiner Meinung nach, ist es also an der Zeit, die Empfehlung Pause und Eis bei Verletzungen hinter uns zu lassen und stattdessen lieber Bewegung zu empfehlen.

Wenn ihr mehr über das Thema wissen wollt, dann empfehle euch als Einstieg das Buch: „ICED – The Illusionary Treatment Option“ von Gary Reinl. Hier wird das Thema nochmal deutlich ausführlicher behandelt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen