Atmen ist etwas, worüber wir uns im Alltag nicht viele Gedanken machen, solange wir gesund sind. Dabei beeinflusst unsere Atmung weit mehr als nur ausreichend Sauerstoff aufzunehmen. Zum Glück rutscht das Thema Atmung in der letzten Zeit aber wieder stärker in den Fokus. Immer mehr Menschen verwenden Meditation oder Atemübungen im Alltag um zu entspannen. Beim Yoga oder bei den meisten Kampfsportarten, spielt die Atmung schon immer eine wichtige Rolle. Im modernen Training wird sie jedoch leider oft vernachlässigt oder wird nur am Rande mal angesprochen.
Wir
atmen pro Tag ca. 20.000-mal ein und aus. Diese Zahl variiert natürlich von
Person zu Person, aber sie verdeutlicht hoffentlich, welche Auswirkung unsere
Atmung auf unsere Gesundheit und Leistungsfähigkeit haben kann, wenn diese
nicht optimal funktioniert. Obwohl die Atmung zum Großteil automatisch und unterbewusst
abläuft, atmen viele Menschen falsch. Ich möchte hier ganz klar sagen, dass ich
mich erst seit kurzem eingehender mit dem Thema beschäftige und ich mich nicht
als Experten auf dem Gebiet bezeichnen möchte. Ebenso kann ich keine
medizinischen Ratschläge geben. Im Zweifel solltet ihr daher immer zuerst einen
Arzt konsultieren, wenn ihr akute Probleme mit der Atmung habt. Da ich aber überzeugt
davon bin, dass wir alle davon profitieren können, wenn wir unserer Atmung mehr
Beachtung schenken, möchte ich euch mit diesem Artikel einen Denkanstoß geben,
euch ebenfalls mehr mit eurer eigenen Atmung auseinanderzusetzen. Vielleicht
kann ich dadurch dem ein oder anderen dabei helfen, bestehende Probleme zu
verbessern und die Leistungsfähigkeit zu steigern.
Über
die Atmung haben wir die Möglichkeit unser autonomes Nervensystem direkt zu
beeinflussen. Wir können also je nachdem wie wir atmen das sympathische
Nervensystem (Fight or Flight) oder das parasympathische Nervensystem (Rest and
Digest) aktivieren.
Stress
sorgt dafür, dass wir uns ständig im Fight or Flight-Modus befinden. Dadurch
atmen wir schneller und eher in die Brust. Diese Art der Atmung verstärkt die
Stresssymptome noch weiter. Stress führt zu falscher Atmung und falsche Atmung
führt zu Stress! Die beiden Faktoren beeinflussen sich also gegenseitig. Wenn
wir es schaffen unsere Atmung besser zu kontrollieren, können wir diesen
Teufelskreis durchbrechen.
Stress
hat direkte Auswirkungen auf unseren Blutdruck und unseren Ruhepuls. Durch die
richtige Atmung lassen sich diese wichtigen Gesundheitsfaktoren daher positiv beeinflussen.
Aber auch Schnarchen, Heuschnupfen, Asthma oder die Anfälligkeit für
Atemwegsinfekte hängen direkt mit der Art und Weise wie wir atmen zusammen und
lassen sich dementsprechend verbessern.
Wenn
wir uns jetzt einmal genauer anschauen, wie viele Menschen heute atmen, dann
fällt auf, dass wir häufig zu viel atmen. Manche Menschen hyperventilieren bei
ihrer normalen Atmung beinahe schon. Die Folge davon ist, dass wir nicht mehr
Sauerstoff aufnehmen, sondern ganz im Gegenteil. Wir atmen zu viel Kohlendioxyd
aus. Kohlendioxid wird aber benötigt, damit der Sauerstoff aus dem Blut in die
Zelle abgegeben werden kann. Wir atmen daher einen Großteil des Sauerstoffs den
wir einatmen direkt wieder aus, da der Körper ihn gar nicht aufnehmen kann. So
viel Sauerstoff wie wir einatmen benötigen wir tatsächlich aber auch gar nicht.
Die Sauerstoffsättigung nimmt nicht zu, wenn wir tief einatmen, da sie beim
gesunden Menschen eh schon bei 95-98% liegt. Mehr zu atmen sorgt daher einfach
nur dafür, dass wir ineffizienter atmen und wir unserem Körper damit mehr Arbeit
als notwendig wäre machen.
Der
Reflex Luft zu holen hängt übrigens in erster Linie mit dem Anteil von Kohlendioxid
im Körper zusammen und nicht mit der Sauerstoffsättigung. Wenn sich also eine
bestimmte Menge an Kohlendioxid ansammelt, z. B. wenn wir die Luft anhalten,
dann setzt der Reflex ein weiter zu atmen, auch wenn die Sauerstoffsättigung
immer noch ausreichend ist. Wer schon einmal die Wim Hof Methode ausprobiert
hat, kann das leicht nachvollziehen. Bei der Wim Hof Methode wird zuerst schnell
und stark ein- und ausgeatmet (hyperventiliert), wodurch viel Kohlendioxid abgeatmet
wird. Danach hält man nach dem Ausatmen so lange wie möglich die Luft an. Durch
den niedrigen Kohlendioxidgehalt im Körper kann man mit dieser Methode und mit
etwas Übung mehrere Minuten lang die Luft anhalten, bis der Atemreflex wiedereinsetzt.
Diese Toleranz gegenüber Kohlendioxid im Körper ist trainierbar.
Ein
einfacher Test um die eigene Atmung zu testen ist der BOLT Test (Body Oxygen
Level Test). Dabei atmet man durch die Nase ein, durch die Nase wieder aus und
hält sich dann nach dem Ausatmen die Nase zu. Ab diesem Moment stoppt man die Zeit,
bis das Verlangen wieder einzuatmen einsetzt. Dabei geht es nicht darum, das Weiteratmen
so lange wie möglich hinauszuzögern, sondern nur die Zeit zu messen, bis der
erste Atemreflex aufkommt. Wenn die gestoppte Zeit unter 20 - 25 Sekunden liegt,
dann solltet ihr unbedingt an eurer Atmung arbeiten. Im Idealfall schaffen wir
45 – 60 Sekunden.
Um
im Alltag effizienter zu atmen, ist es also das Ziel, weniger Atemzüge pro
Minute zu machen und dafür den eingeatmeten Sauerstoff besser zu verwerten.
Hierfür gibt es verschiedenste Atemübungen. Diese zu erklären würde den Rahmen
dieses Artikels allerdings sprengen. Daher möchte ich nur auf einen Punkt eingehen,
der für mich gleichzeitig aber auch der wichtigste ist.
Der
einfachste Weg unsere Atmung zu verbessern, ist es, durch die Nase zu atmen.
Die Nase ist unser primäres Atemorgan. Der Mund ist nur als Backup gedacht, damit
wir überleben können, sollte unsere Nase einmal nicht funktionieren.
Der
innere Teil unserer Nase hat beinahe die Größe einer geschlossenen Faust. Hier
wird die eingeatmete Luft gefiltert, erwärmt und befeuchtet. Außerdem produziert
unser Körper beim Atmen durch die Nase mehr Stickstoffmonoxid, was die Gefäße
erweitert und damit unsere allgemeine Leistungsfähigkeit steigern kann.
Wenn
wir durch die Nase atmen, atmen wir außerdem automatisch weniger in die Brust,
sondern verwenden stärker unseren Hauptatemmuskel, das Zwerchfell. Das Zwerchfell
ist damit gemeint, wenn man sagt, dass man „in den Bauch“ atmen soll. Wenn wir
durch den Mund atmen, ist das deutlich schwieriger als durch die Nase. Nasenatmung
reduziert in der Regel auch automatisch die Atemzüge die wir pro Minute machen.
Wer
bisher hauptsächlich durch den Mund atmet, für den fühlt es sich häufig so an,
als ob er nicht ausreichend Luft bekommt, wenn er bewusst durch die Nase atmet.
Das liegt daran, dass sich die Atemwege in der Nase mit der Zeit verengen, wenn
sie nicht benutzt werden. Wie ein Muskel ist aber auch das trainierbar. Je mehr
wir durch die Nase atmen, desto besser können wir auch atmen. Im Idealfall
atmen wir nur durch unsere Nase. Auch beim Sport hat die Atmung durch die Nase
viele Vorteile. Bis auf wenige Ausnahmen (z. B. Pressatmung bei schwerem Krafttraining),
sollten wir in der Lage sein, auch unter Belastung durch die Nase zu atmen. Ich
kann euch nur empfehlen einmal auszuprobieren, wie es sich anfühlt z. B. beim
Joggen ausschließlich durch die Nase zu atmen. Was sich anfänglich so anfühlt,
als ob man nicht genug Luft bekommt, wird relativ schnell ganz normal und
unproblematisch.
Was wir nicht direkt beeinflussen können, ist unsere Atmung im Schlaf. Wenn ihr stark schnarcht, mit einem trockenen Mund aufwacht oder eventuell sogar unter Schlafapnoe leidet, dann atmet ihr sehr wahrscheinlich nachts durch den Mund. Der folgende Tipp klingt zunächst wahrscheinlich erstmal etwas drastisch, er kann euch aber dabei helfen, auch nachts nur noch durch die Nase zu atmen und damit hoffentlich auch die genannten Probleme zu verbessern. Ein dünner Streifen Tape über den Mund reicht in der Regel aus, um den Mund nachts geschlossen zu halten und dadurch zwangsläufig durch die Nase zu atmen. Auch das kann sich die ersten Male sehr unbequem anfühlen und vielleicht sogar das Gefühl erzeugen nicht ausreichend Luft zu bekommen. Die langfristigen Vorteile, die die Nasenatmung mit sich bringt, sind es meiner Meinung nach allerdings wert, sich diese auch in der Nacht anzutrainieren.
Dieser
Artikel kratzt natürlich nur an der Oberfläche. Trotzdem hoffe ich, dass ich
euer Interesse für das Thema wecken konnte. Und wenn ihr nur eine Sache aus diesem
Artikel mitnehmt, dann ist es hoffentlich, mehr durch die Nase zu atmen. Denn Nasenatmung
hat noch so viele weitere gesundheitliche Vorteile auf die ich hier gar eingegangen
bin, dass sie hoffentlich einen großen positiven Einfluss auf euer Wohlbefinden
hat. Wenn euch dieser Artikel geholfen hat, würde ich mich freuen, wenn ihr ihn
mit möglichst vielen Menschen teilt, damit diese Information auch ihnen helfen
kann.
Wer
sich intensiver mit dem Thema Atmung beschäftigen möchte, dem kann ich das Buch
„The Oxygen Advantage“ von Patrick Mc Keown als guten Einstieg empfehlen. Das Meiste
von dem was ich in diesem Artikel schreibe, habe ich von Patrick Mc Keown gelernt.
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