Das Aufwärmen vor dem Krafttraining ist für viele nicht viel mehr als ein notwendiges Übel. Schließlich ist man ja gekommen um schwere Gewichte zu bewegen. Deswegen ist es wohl auch einer der am meisten vernachlässigten Bereiche im Training. Ein paar Minuten auf einem Cardiogerät und dann noch ein bis zwei Warmupsätze bevor es in die erste Übung geht, sehen viele Trainierende als ausreichende Vorbereitung für das Training an. Wenn ihr auch zu diesen Menschen gehört, dann verschenkt ihr viel Potential. Anstatt 15 Minuten auf einem Cardiogerät zu „verschwenden“ um sich aufzuwärmen, lässt sich in der gleichen Zeit ein Warmup durchführen, dass deutlich effizienter ist.
Ein
gutes Warmup erfüllt gleich mehrere Zwecke. Wir wollen die Körperkerntemperatur
erhöhen und das Herz-Kreislauf-System in Schwung bringen. Diese beiden Punkte lassen
sich natürlich mit einem Cardiogerät erzielen, passieren aber ganz automatisch auch
bei jeder anderen halbwegs anstrengenden Bewegung. Wir wollen aber genauso die
Muskulatur, die Gelenke und das Nervensystem auf die anstehende Belastung und
die Bewegungsabläufe vorbereiten um eine bestmögliche Leistungsfähigkeit
sicherzustellen und das Verletzungsrisiko zu minimieren. Eine feste Warmuproutine
dient schlussendlich auch zur mentalen Vorbereitung auf das Training, um vom
Alltagsstress abzuschalten und einen guten Fokus auf das Training zu finden.
Ich
unterteile das Warmup in mehrere Bereiche:
- Softtissue Work
- Mobilisieren
- Aktivieren
- Movement Skills/Spezifisches Warmup
Diese
Punkte sind nicht klar voneinander abgetrennt. Die Kategorien gehen teilweise
fließend ineinander über oder einzelne Übungen können auch mehrere Zwecke
gleichzeitig erfüllen. Unser Ziel ist es schließlich uns so effizient wie
möglich aufzuwärmen.
Softtissue
Work:
Ich beginne meine
Trainingseinheiten mit Softtissue Work oder einfacher
gesagt dem Ausrollen der Muskulatur mit dem Foamroller, dem Massagestick oder
einem Lacrosseball. Es ist sozusagen die Vorbereitung für das eigentliche Warmup.
Über
die genaue Wirkweise von Soft Tissue Work oder auch Self Myofascial Release
genannt lässt sich sicher streiten. Dass es funktioniert, hat die Erfahrung der
letzten zehn Jahre allerdings gezeigt. Das Ausrollen dient dazu, Verspannungen
in der Muskulatur zu lösen und die Mobilität zu verbessern. Langfristig sorgt
das Ausrollen dafür, die Qualität des Gewebes zu verbessern bzw. zu erhalten.
Im Profisport übernimmt diese Aufgabe ein Physiotherapeut. Da diese Möglichkeit
in der Regel für uns nicht besteht, sind Foamroller und andere
Soft-Tissue-Tools eine einfache und kostengünstige Alternative.
Langes
Ausrollen senkt den Muskeltonus. Da wir mit dem Warmup eigentlich genau das
Gegenteil bewirken wollen, gilt es die minimal effektive Dosis zu finden, um
den bestmöglichen Effekt zu erreichen. Als Anhaltspunkt rollen wir in der Regel
für 10 – 12 Wiederholungen oder für ca. 20 Sekunden.
Dabei ist es nicht notwendig jeden Teil des Körpers jedes Mal auszurollen. Das Ausrollen sollte in der Regel nicht länger als 5 Minuten dauern. Wir konzentrieren uns auf die Muskeln/Sehnen, die tatsächlich „tight“ sind. Das kann individuell sehr unterschiedlich sein. Jeder Athlet bekommt in der Regel sehr schnell die notwendige Erfahrung, welche Stellen für ihn den größten Effekt haben.
Wie genau ich einen Foamroller benutze sehr ihr im folgenden Video:
Mobilisieren:
Im
zweiten Schritt geht es nun darum, den Körper zu mobilisieren, um die volle
Bewegungsfähigkeit aller benötigten Gelenke herzustellen.
Die
Zeiten, in denen vor der Belastung noch ausgiebig passiv, statisch gedehnt
wurde, sind lange vorbei. Man weiß inzwischen, dass hierdurch der Muskeltonus
gesenkt wird und die Leistungsfähigkeit eher verringert als gesteigert wird.
Ebenfalls erhöht langes statisches Dehnen vor der Belastung das Verletzungsrisiko.
Stattdessen
benutzen wir aktive, dynamische Dehnübungen, in denen die Gelenke ebenfalls
durch ihr volles Bewegungsausmaß geführt werden. Die Muskulatur wird hierbei
gleichzeitig gedehnt, während sie kontrahieren muss, um Bewegung zu erzeugen
und um die Gelenke zu stabilisieren.
Besonderes
Augenmerk beim Mobilisieren liegt für uns auf Fußgelenken, Hüfte und
Brustwirbelsäule. Dies sind in der Regel die limitierenden Faktoren bei den
meisten Athleten. Nur wenn diese Gelenke ausreichend beweglich sind, kann der
restliche Körper effizient arbeiten. Beim Mobilisieren versuchen wir den Körper
durch alle später verwendeten Bewegungsrichtungen zu führen.
Aktivieren:
Nachdem wir den Körper mobilisiert
haben, wollen wir als nächstes den Muskeltonus erhöhen und das Zentrale
Nervensystem (ZNS) in den „Fight or Flight Modus“ bringen, um bereit für schnelle,
kräftige Muskelkontraktionen zu sein. Das ZNS wird durch schnelle und
koordinativ anspruchsvolle Übungen aktiviert. Sprints, Sprünge, Hops sowie
Übungen, in denen die Bewegung verschiedener Körperteile gleichzeitig
koordiniert werden müssen funktionieren hier sehr gut. Seilspringen in
verschiedenen Varianten ist z. B. eine gute Möglichkeit.
Auch
über die Atmung können wir direkt Einfluss auf das ZNS nehmen. Deswegen benutze
ich auch immer wieder einzelne Atemübungen im Warmup, um das ZNS zu aktivieren.
Zum Aktivieren zähle ich
außerdem auch die Rumpfaktivierung. Der Rumpf ist die Basis für jegliche Bewegung.
Ohne eine stabile Basis ist keine effiziente Bewegung der Extremitäten möglich.
So gibt es im Körper einen Feed Forward Mechanismus, der jedes Mal bevor wir
Arme oder Beine bewegen automatisch den Rumpf anspannt, um einen stabilen
Fixpunkt zu haben. Die Aufgabe des Rumpfes ist es außerdem eine stabile
Verbindung zwischen Unter- und Oberkörper zu bilden, um Energie ohne Verluste
durchleiten zu können.
Movementskills/Spezifisches Warmup:
Am Ende unseres Warmups bereiten
wir uns nun ganz spezifisch auf die anstehende Belastung vor. Im Krafttraining
wären das jetzt z. B. die Warmupsätze für die erste Übung.
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